Mittwoch, 25. September 2024

Wandelzeiten

Es gibt diese Tage, da sehnt man sich nach tiefgreifenden Erlebnissen, ohne dass es einem oder einer bewusst ist. Wir schauen auf unsere mitmenschlichen Verbindungen und spüren die gemeinsame Verwurzelung. Aber es gibt auch die Tage, an denen wir uns nicht verwurzelt fühlen und irgendwie in der Schwebe sind - zwischen unseren Wurzeln und dem Himmel. 

Das Jahresrad hat sich unablässig weiter gedreht, ohne dass die meisten darüber nachdachten. Und wir, die wir gerade noch in  Sommersonnenstunden geschwelgt haben, an denen alles machbar ist, sehen aus dem Fenster und sehen Regentage, die den Herbst einläuten - pünktlich zur Herbst-Tag- und Nachgleiche.

Eine Erinnerung und Aufforderung, den Fokus auf das innere Geschehen zu richten. Zeit, um die eigenen Wurzeln zu fühlen und Zeit um uns zurückzuziehen. Ich mag es,  Wohlfühlmomente zu gestalten und mich mit Kerzen, Tee, Strickzeug und Büchern an meinen Lieblingsort  zurückzuziehen. 

J.R.R. Tolkien legt seinem "guten" Magier die folgenden Worte in den Mund:  “Alles, was wir entscheiden müssen, ist, was wir mit der Zeit anfangen wollen, die uns gegeben ist.” (Gandalf). Also lasst uns nachdenken und Entscheidungen treffen - für eine gute Zeit und ein gutes Leben.





Donnerstag, 5. September 2024

Die Seele stärken


kann vieles sein, in diesen schönen Sommertagen. Heute ist es z.B. ein Ausflug mit Marie zu unserer Lieblingsbank im nahen Wäldchen. Dem Körper etwas Gutes tun, wird auch die Seele stärken. Eigene Bedürfnisse und Empfindlichkeiten können wahrgenommen werden und Rücksicht auf uns selbst kann Heilung und Linderung sein.

Wir wurden herzlich empfangen von unserer Lieblingsbank und haben eine kleine Rast eingelegt, um Wasser zu trinken. Wir haben Käfer auf ihren Wegen zuzusehen, und dem Sommerwind gelauscht. Einfache Dinge, die die Empfindsamkeit erhöhen und das Einfühlungsvermögen stärken. 



Unser Gefährt: Im Anhänger kann Marie sich ausruhen, wenn die kleinen Füße müde werden und wir können trotzdem aktiv im Wald und auf Feldwegen unterwegs sein. 







Wir leben alle, wissen aber nicht,

warum und wofür.

Wir leben alle mit dem Ziel,

glücklich zu werden.

Wir leben alle verschieden

und doch gleich.


Anne Frank, aus ihrem Tagebuch, Juli 1944
 







Freitag, 30. August 2024

Wie kommen Bücher zu mir?

Oft sind es Gedanken oder Sätze die mir auffallen, mich ansprechen oder in einen inneren Dialog mit mir gehen. Oder ich lese über Biografien von Autorinnen und Autoren, die ich interessant finde, die mich neugierig machen, mehr zu lesen. Bestsellerlisten gehören nicht zu meiner Lektüre und trotzdem stellen sich viele der literarischen Kostbarkeiten als Schätze heraus. Wie z.B. die Autorin Olga Tokarczuk, geboren 1962, eine polnische Psychologin und Autorin, die ich im Juni entdeckt habe. Im Jahr 2019 erhielt sie für ihr Buch „Unrast“ rückwirkend den Nobelpreis für Literatur des Jahres 2018, der zuvor nicht vergeben wurde.

Heute stelle ich ihr Buch „Der Gesang der Fledermäuse“ vor. Ein moralischer Thriller, so heißt es im Klappentext, der den Leserinnen und Lesern die Erzählerin, Janina Duszejko, näherbringt. Sie lebt alleine auf einem Hochplateau des Glatzer Kessel (siehe unten ***), irgendwo am Rande der zivilisierten Welt, wo sie ihren Leidenschaften, der Astrologie und der Wortkunst - und ihre Liebe zu Tieren lebt.

Als in ihrer Umgebung eine Leiche nach der anderen gefunden wird, scheint sie der Polizei immer einen Schritt voraus zu sein. Dabei nutzt sie, die allgemein als Verrückte angesehen wird, das „unauffällige Erscheinungsbild einer alten Frau, oft mit einer Plastiktüte in der Hand“, irgendwo unterwegs auf Feld- und Waldwegen.  

Das unauffällige Erscheinungsbild einer alten Frau, steht da. Wo fängt es an? Wie sehe ich ältere Frauen in meinem Alltag, auf meinen Wegen und wie sehen sie mich? Das sind Gedanken, die sich zu ergründen lohnen. Und ich kann mir vorstellen, dass Bücher und die Gedanken anderer Autorinnen hilfreich sind, sich dieser Thematik zu stellen. Noch ein anderer Gedanke keimt in mir auf. Versteckt der Titel noch eine untergründige Botschaft? Dürfen ältere Damen als singende Fledermäuse interpretiert werden? Eine Gattung, die man am Tage nicht sieht und deren Lieder und Gesänge für Menschenohren nicht hörbar sind. Und, deren Aufenthaltsorte als düster und melancholisch gelten dürfen. Hmmm ...

Ich liebe den Roman, die Stimmung des Waldes, die Sprache, die die Autorin erdacht hat und die vielen nachdenklich stimmenden Sätze, die mich immer wieder überrascht und erfreut haben. So denkt die Protagonistin beispielsweise über einen ihrer Nachbarn: „… und es sieht so aus, als hätte er beschlossen, ein neues Leben zu beginnen, wie jeder, dem die Ideen und die Mittel für das alte Leben ausgegangen sind“.

Oder sie philosophiert über eine alternde Realität: „Heute wagt es niemand mehr, etwas Neues zu denken. Alle sagen nur pausenlos, wie es ist, und spinnen die alten Gedanken weiter.“

Das sind Gedanken, die man stundenlang weiterspinnen könnte und oft tue ich das auch für mich, in meinem Kämmerlein und auf meinen Spaziergängen.

Eine Theorie, die die Autorin ihre Ich-Erzählerin denken lässt, fasziniert mich ebenfalls sehr. Sie schreibt: „ … Ich glaube nämlich, unsere menschliche Psyche ist dazu da, um uns vor dem Anblick der Wahrheit zu bewahren. Um uns keinen direkten Einblick in den Mechanismus zu erlauben. Die Psyche ist unser Immunsystem - sie sorgt dafür, dass wir niemals verstehen, was um uns herum vorgeht. Hauptsächlich ist sie damit befasst, Informationen zu filtern, auch wenn die Möglichkeiten unseres Gehirns gigantisch sind. Doch alles Wissen wäre nicht zu ertragen. Denn jedes kleinste Teilchen der Welt ist aus Leid zusammengesetzt. ..."


So verwundert eigentlich das fulminante Ende des Romans nicht wirklich. Die Autorin hat zwar Hinweise gestreut, die aber in meinem Lesefluss untergegangen sind. Erst beim Nachlesen wurden sie für mich sichtbar. Ich hatte der Protagonistin zu viel Aufmerksamkeit entgegengebracht, und mein ungefiltertes Wohlwollen, vielleicht…


Vielleicht konnte ich euch neugierig machen auf dieses feine, nachdenkliche Buch und hoffe, dass ich nicht zu viel verraten habe. Meine Ausgabe ist die erste Auflage der deutschen Ausgabe aus dem Jahr 2011. Verlegt wurde das Buch bei Schöffling & Co. Verlagsbuchhandlung, Frankfurt am Main.

 

 

 

*** Glatzer Kessel (polnisch Kotlina Kłodzkatschechisch Kladská kotlina) ist eine geographische Bezeichnung für ein Gebiet innerhalb der ehemaligen Grafschaft Glatz. Das Gebiet entspricht seit Kriegsende 1945 weitgehend dem polnischen Powiat Kłodzki. Nach petrologisch-tektonischen Gesichtspunkten gehört es zum Landschaftsraum der Innersudetischen Senke.

Quelle: Wikipedia


KI-generiertes Bild



Samstag, 24. August 2024

Die Sprache der Natur

 

Segen der Apachen

Möge die Sonne dir jeden Tag neue Energie bringen
Möge der Mond dich sanft erneuern in der Nacht
Möge der Regen all deine Sorgen fort spülen
Möge der Wind neue Kraft in dein Sein wehen
Mögest du freundlich durch diese Welt gehen
und ihre Schönheit erkennen an jedem Tag deines Lebens.


Ein heißer Tag erwartet uns. Bis zu 30° C sollen es werden. Am Wochenende beginnen die Tage später bei mir und ich werde mit Marie später in den Wald fahren, wo das Laufen für sie angenehmer ist. In dem Wissen, dass die Sonne uns gute Energien schenkt, gehen wir langsam durch die  noch grünen Spätsommertage und genießen ihre Wärme. 

Regen und Wind haben uns gestern Abend beglückt. Der Wind ist durch den Garten getanzt. Hat Zweige und Blätter zerzaust und mit ihnen getanzt. Dazu kam der leichte Regen, der Erde und Grün erfrischte. Hat er meine Sorgen fort gespült? 

Ich möchte freundlich durch die Welt gehen und dabei meiner inneren Stimme folgen. Ich wünsche mir Frieden und Schönheit - auch heute. Ich möchte versuchen, im Augenblick zu leben und zu Lauschen, auf das Innen und Aussen. Ich werde Papier mitnehmen, in den Wald und einen Stift - und Gedanken einfangen, den Sommer umarmen. 


KI-generiertes Bild zum Thema



 


Dienstag, 20. August 2024

Undenkbar - gerade


 Du brauchst dein Zimmer nicht zu verlassen …

bleib einfach an deinem Tisch sitzen und horche.

Du brauchst nicht einmal zu horchen, warte einfach.

Du brauchst nicht einmal zu warten, werde einfach still –

und die Welt wird sich offenbaren, um demaskiert zu werden;

sie hat gar keine andere Wahl.

Sie wird sich in Ekstase vor deinen Füßen wälzen.

Franz Kafka


* * * * *


Draußen locken das schöne Sommerwette und das Leben ins Freie. Die Zeit am Schreibtisch ist knapp bemessen, weil so viele andere Dinge verführen. Der Garten, Spaziergänge,  die Prinzessin und immer wieder Wege, die neu oder alt gegangen werden wollen. 







Vollmond

Mond betritt Fische um 0.52 Uhr (20.08.24 bis 22.08.24)






Mittwoch, 14. August 2024

Räume entdecken




 Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. 

In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. 

In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.


Viktor Frankl



Freitag, 9. August 2024

Still und leise

betrete ich wieder das Bloggerland und meinen Blog. Was war, ist der Grund für meine Pause. Eine Schreibblockade? Gesundheitliche Gründe? Das Leben, einfach? Oder ist da noch mehr ...

Vielleicht gelingt es mir heute und/ oder in den kommenden Postings, die letzten Monate ein wenig zu beschreiben. 

Bedanken möchte ich mich herzlich bei allen lieben Menschen, die hier vorbeischauen und das Blaue Haus besucht haben, auch wenn es nichts Neues gegeben hat. 

Mein derzeitiges Fernstudium, "Kreatives Schreiben" ist auch zu kurz gekommen. Ich überlege, ob es die heißen Sommertage waren, die zu viel Kraft gekostet haben, denn hier im Norden Niedersachsens war das Wetter schön. Wir sind verschont geblieben von Überschwemmungen, Mega-Gewittern und zerstörerischen Stürmen. 

Der Ausgangspunkt für mein "wofür" - im Sinne von wofür mache ich etwas, z.B. das Schreiben, mäandert fröhlich um mich herum. Es gibt so viele Dinge, die ich tun möchte und kann mich dann nicht für etwas entscheiden. Also: wo ist mein mentales Gleichgewicht und wo betreibe ich Selbstsabotage und wie sieht es mit den dazugehörigen Gründen aus?

Das sind Fragen, auf die ich Antworten suche. Für eine Weile entscheide ich mich dafür, dass nicht der Weg das Ziel ist, sondern dass das Ziel wichtiger als der Weg ist. Was meint ihr dazu? Ist der Weg wichtiger als das Ziel oder fokussiert ihr einen Fixpunkt, zu dem hin ihr euch aufmacht. Es bleibt spannend.







Samstag, 25. Mai 2024

Dystopie oder Realität

 

 

Es geht immer nur um uns.

Um unsere Wünsche.

Um unsere Befindlichkeiten.

Um unser Spiegelbild.

 

Es gibt Momente, in denen wir heraus schauen - um unsere Teller herum.

Momente, in denen uns Tierleid so stark berührt,

dass wir glauben, es nicht zu ertragen,

das andere Wesen so fern von Hoffnung und Hilfe zu sehen.

 

Es gibt Momente, in denen wir es nicht ertragen,

unseren Anteil an der Schöpfung zu sehen -

dem, was daraus wurde. Dem, was unser Anteil ist.

 

Es gibt Momente, in denen wir uns nicht in die Augen sehen können.

Weil wir so anders sind, als wir es denken.

Voller Angst, voller Gefühle, die wir nie in uns vermutet haben.

Wo der Schmerz uns auffrisst, unser Bewusstsein von Schuld vernebelt

und uns weitergehen heißt, in Tage und Nächte, die uns ratlos zurücklassen.

 

Es geht immer nur um uns.

Ob wir nicht doch einen Ausweg finden,

aus unseren Wünschen und Begehrlichkeiten.

Unser Spiegelbild zerschlagen …




Freitag, 17. Mai 2024

Grazien

"Kommt nun herbei, Grazien zart, Musen mit schönen Haaren."

Source: Wikipedia

So dichtete Sappho. Und es gefällt mir sehr. Musen, Grazien und dazu noch Schönheit, was kann ich mehr wünschen. Den Himmel auf Erden?

Sappho, eine der berühmtesten Dichterinnen der antiken Welt, wurde um das Jahr 630 v. Chr. auf der Insel Lesbos im ägäischen Meer geboren. Als Tochter eines reichen Adligen genoss sie eine privilegierte Ausbildung, die ihr eine umfassende Kenntnis der Literatur und der Künste vermittelte.

Es heißt, dass Sappho früh ihre Leidenschaft für Poesie entdeckte und begann, ihre eigenen Gedichte zu verfassen, die oft von Liebe, Leidenschaft und Schönheit inspiriert waren. Sie gründete (wie es heißt nach ihrer Rückkehr aus dem Exil) eine Schule für junge Mädchen und Frauen, die als "Sappho-Kreis" bekannt wurde, in der sie ihre Schülerinnen auf ihr späteres Leben vorbereitete und in der Kunst des Dichtens unterwies.

Ihre Gedichte wurden für ihre Eleganz, ihre Sinnlichkeit und ihre lyrische Intensität gerühmt und gewannen schnell an Popularität in der gesamten antiken Welt. Sappho wurde als "Zehnte Muse" verehrt und ihre Werke wurden von Generationen von Dichtern und Schriftstellern bewundert und nachgeahmt.

Es ist überliefert, dass Sappho aufgrund politischer Spannungen, so heißt es, gemeinsam mit ihrer Tochter, um 600 v.Chr. vom damaligen Tyrannen ins Exil nach Sizilien verbannt wurde.

Trotz ihrer großen Bedeutung für die antike Literatur ist nur ein Bruchteil ihres Schaffens erhalten geblieben. Viele ihrer Gedichte sind verloren gegangen oder wurden im Laufe der Jahrhunderte zerstört. Aber ihr Einfluss auf die Poesie und die literarische Tradition ist für viele Menschen unbestritten.

Sappho verstarb wahrscheinlich um das Jahr 570 v. Chr. Ihr Vermächtnis lebt jedoch weiter in den Fragmenten ihrer Gedichte und in der Erinnerung an eine Frau, deren poetische Vision und Leidenschaft die Welt veränderten.


***

Wie komme ich auf Sappho? Mia Kankimäkis zweites Buch "Frauen, an die ich nachts denke" zitiert Sappho mit den obigen Zeilen. Sie schreibt darin über die Frauen, über die sie in schlaflosen Nächten nachdenkt, reflektiert. Sie nennt sie Nachtfrauen und die Autorin macht sich auf die Reise, um "den Spuren ihrer Heldinnen" zu folgen. Sie schreibt u.a. über Karen Blixen und Afrika, Isabella Bird, Ida Pfeiffer, Mary Kingsley, Nelly Bly, Yayoi Kusama und andere Frauen, die ihr Inspiration waren.

Das Buch ist wieder die Suche nach ihrem eigenen Roman, ihrem eigenen Stil. Darüber hat man schon in ihrem ersten Roman, "Dinge, die das Herz höher schlagen lassen" gelesen. Ich hätte mich gefreut, mehr über ihre Protagonistinnen zu lesen. Z.B. über Alexandra David-Neel, die als erste westliche Frau Tibet bereiste, sich heimlich auf den Weg nach Lhasa machte. Trotzdem finde ich das Buch lesenswert und ganz besonders die Ratschläge die sie ihren Nachtfrauen in den Mund legt:

"Wenn du unter Depressionen, Frustration oder Kopfschmerzen leidest, mache dich auf die Reise!"

oder:

"Sei mutig! Es macht nichts, wenn du Angst hast. Spiele mit den Karten, die du bekommst! Auch wenn du krank bist, kannst du aus vollen Zügen leben. Wenn du alles verlierst, fange an zu schreiben!

Es gibt so viele Parallelen zu heutigen Frauenleben. Die abenteuerlichen Reisen zu uns selbst, die wir durchleben. Das Hadern mit dem Schicksal, vielleicht. Die Themen Angst und Krankheiten haben unsere Vorfrauen mindestens ebenso beschäftigt, wie uns heutige Frauen. Es scheinen universelle Themen zu sein. Noch.


  




PS: Ich bitte die verschiedenen Schriftarten zu entschuldigen. Der Editor ließ sich nicht dazu bewegen, meine Formatierungen umzusetzen.






Donnerstag, 2. Mai 2024

Jeder Tag

 
Ein Zitat, das Arthur Schopenhauer zugeschrieben wird, gibt in etwa die Gedanken wieder, die seit einiger Zeit immer wieder in mir auftauchen:

“Jeder Tag ist ein kleines Leben, jedes Erwachen eine kleine Geburt, jeder neue Morgen ist eine kleine Jugend.” 

 Arthur Schopenhauer

Man kann diese Gedanken auch auf den Lauf des Jahres anwenden. Im Frühling, am Morgen, macht sich alles Lebende auf zu neuen Taten. Die Lebensuhr ist frisch aufgezogen und schnurrt hin zum Vollfrühling und den frühen Sommertagen am Mittag. Die Jahresmitte, um den Sommeranfang herum ist nach dieser Auffassung am Mittag. Die Sonne hat ihren höchsten Punkt erreicht. Unser Arbeitstag ist zur Hälfte geschafft und wir lassen uns gerne ein Mittagessen schmecken. 

Die Mittagszeit ist genau wieder Sommer eine Zeit des Innehaltens, des Verweilens. Im Tag verweilen, eine Pause einlegen, so wie der Sommer mit seinen warmen Tagen zu Genuß und Ausruhen einlädt. Im täglichen Herbst genießen wir am Nachmittag noch produktive Stunden, spüren aber bereits, dass die Uhr des Tages langsamer läuft, dass die Kräfte nachlassen und wir uns über Pausen freuen und das schöne Gefühl, den Tag gemeistert, nach unseren Wünschen gestaltet zu haben.

Zum Abend hin wird es winterlich. Was hat der Tag gebracht, was sollte oder muss noch getan werden. Habe ich alles "geschafft", was ich mir vorgenommen habe, was will ich heute noch erledigen und was muss an einem anderen Tag, einem anderen Jahr erledigt werden. Dem Jahreslauf folgend, geschieht Rückzug ins Private, ins Haus und der Schlaf wird vorbereitet, der seine Träume in uns schneien lässt.

Die erste Mohnblüte
Die erste Mohnblüte

Nicht nur der Mensch verortet sich gerne. Wir suchen und schaffen Ankerplätze im Alltäglichen, im Raum und in der Zeit. Es ist uns Bedürfnis, Zeiten und Rhythmen zu bestimmen, so wie die Natur uns - z.B. durch ihre Jahreszeiten, Bezugspunkte setzt. Wir gehen durch die Stunden des Tages, wie durch Jahreszeiten und bauen unser Haus.



Die erster Rosenblüte


Sonntag, 14. April 2024

Kleines Hanami

 Das Japanische Kirschblütenfest "Hanami" erfreut (nicht nur) die Herzen der Japaner zu dieser Zeit. Hanami bedeutet soviel wie "Blütenbetrachtung" oder Betrachtung der Kirschblüte". Es ist eine wunderbare Betrachtung und ein Genuss nach den kalten Wintermonaten, wieder ohne Mantel und Stiefel im Freien zu sein, das Leben zu genießen. 

Vor einigen Jahren habe ich in meinem Garten einen Kirschbaum gepflanzt. Damals dachte ich noch nicht an Hanami, sondern erhoffte wohlschmeckende Kirschen. Nun schenkt uns der Baum jedes Jahr viele Früchte, die wir redlich mit Amseln und anderen Gartenbewohnern teilen. 




Wie in jedem Frühling begrüße ich Bäume und Sträucher, alles was schwebt und fliegt oder "einfach" krabbelt und kriecht. Es ist die Zeit des ersten Kaffees auf der Terrasse, wo noch jeder Sonnenschein gesucht und willkommen geheißen wird. 
Es erscheint mir wichtig, in der Freude und in guten Gedanken zu bleiben, besonders angesichts der politischen Lage im Nahen Osten, die heute Nacht eine neue Dimension angenommen hat. 



Ein herrliches Wetter auch für Spaziergänge im Wald. Strahlender Sonnenschein mit starkem Wind. Eine schöne Kombination.




Ein Haiku das ich passend dazu finde:


Ich habe den Boten

unterwegs getroffen, öffne den Brief -

der Frühlingswind.


Kito




Montag, 8. April 2024

Das Unsagbare

Was wichtig ist: das Unsagbare,

das Weiße zwischen den Worten,

und immer reden diese Worte

von den Nebensachen, die wir

eigentlich nicht meinen.

(Max Frisch,  geboren 15.05.1911 gestorben 4.04.1991)




  

Das weiße zwischen den Worten, das mir immer wieder die Sprache verschlägt und mich neugierig macht auf mehr. Im März und April war und ist es "Das Kopfkissenbuch" der Sei Shonagon.

In vielen Literaturquellen findet man immer wieder einen Verweis auf ein Tagebuch, das eine Hofdame im Japan der Heian-Zeit (794 bis 1185) geschrieben hat. 


Mamoru Watanabé schreibt in seiner Übersetzung, dass Kaiserin Sadako einer Hofdame, Sei Shonagon, einen dicken Stoß erlesenes Papier zum Geschenk machte. Die Hofdame meinte, sie würde daraus ein Kopfkissen machen. Ein Kopfkissen war zu jener Zeit eine Notizbuch, in das man alles niederschreiben durfte, was man sonst nur seinem Kopfkissen anvertrauen würde.


Was erschien Sei Shonagon bemerkenswert? Macht, Müßiggang, persönliche Liebschaften, Pikanterien, Flötenspiel und Kalligraphie uvm. Wir heute lesen ihre Worte als Listen. Z.B.


"Ernüchterndes

Ein Hund, der am hellichten Tage bellt

Ein neugebautes Kinderzimmer, nachdem der Säugling gestorben ist

Ein Feuerbecken ohne Feuer

Ein Kutscher, der seine Tiere lieblos behandelt

Es ist auch ernüchternd, wenn man jemandem sein Gedicht schickt, das man selber für wohlgelungen hält und kein Antwortgedicht bekommt."


oder


"Anstand in der Sprache

Leute, die es nicht verstehen, Briefe mit den richtigen Höflichkeitsausdrücken zu verfassen, können verachtet werden ..." (aus der Übersetzung von Watanabé).


Das sind nur zwei Beispiele aus vielen, denen ich gerne nachgehen wollte. Daher suchte ich nach weiterer Literatur, um mir ein Bild der Sei Shonagon zu machen. Gefunden habe ich zunächst eine  Übersetzung von Watanabé



und eine neuere Übersetzung von Michael Stein, aus dem Manesse Verlag. 


*****


Auch der Roman von Mia Kankimäki, "Dinge, die das Herz höher schlagen lassen"  kann mich nicht wesentlich erhellen. Ich erhoffte mir einen tiefer gehenden Einblick in die Lebenswelt der Sei Shonagon. Gefunden habe ich ein Buch, das mehr Fragen aufwirft, als sie zu beantworten. Es ist ein dickes Buch (518 Seiten), das meine Neugier geweckt hat und ich werde weiter suchen.

Auf der Rückseite des Buches lese ich, dass die Autorin aus ihrem Leben ausgebrochen wäre und nach Kyoto gereist sei, um sich auf die Spuren der Sei Shonagon zu machen. 


Wahrscheinlich werde ich nicht so bald nach Kyoto reisen können, aber  in diese Richtung lesen und schauen, was mir wichtig erscheint und was nicht Unsagbar gewesen sein soll, habe ich beschlossen. 













Sonntag, 24. März 2024

Der März

brachte nicht nur den Frühling mit Hagel, Regen und Sturm in unser kleines Dorf. Er  brachte und bringt mir viel Lesestoff, über den ich berichten möchte. Zu meinem momentanen Lieblingslesestoff "Japan" sind wieder einige Bücher angekommen und leider nur zum Teil gelesen.

So z.B. ein weiteres Buch von Lesley Downer, "Die Tochter des Samurai", das nun gelesen im Regal steht. Es ist eine Geschichte um die Liebe (was sonst), die im Japan der 1880er Jahre spielt. Ich mag die Gründlichkeit, mit der die Autorin recherchiert und wie sie ihr Wissen in ihren Geschichten verwebt. Das Buch hat trotzdem keine Schwere und lässt sich zur Entspannung wunderbar lesen.

Milena Michiko Flasar hat ein Buch über Herrn Katō geschrieben. Der Titel: "Herr  Katō spielt Familie". Es ist ein ein schmales Buch, das ich an einem Tag gelesen habe. Das Thema klang zunächst vielversprechend aber ich wurde mit der Sprache, die die Autorin benutzt, nicht warm. Auch, dass der Protagonist und seine - frisch im Rentnerdasein etablierten Zustände, so raumgreifend waren, hat mir nicht gefallen. Vielleicht war es zu viel Realität in der Gegenwart oder einfach die Tatsache, dass mich patriarchale "Alte-Männerleben" per se nicht mehr interessieren. 



Von Volha Hapeyeva haben mich ihre Gedichte wieder begeistert. In "Trapezherz" finde ich wieder so schöne Gedankenbilder, die mich faszinieren, die ich aufschreiben und jeden Tag lesen möchte. Im Klappentext heißt es: "Das Trapezherz schlägt sanft und sensibel, leise und laut, einfühlsam und wütend, komisch und ernst (...) im Wechselspiel bilden die Gedichte alle Facetten unserer Lebenswirklichkeit ab ...". 




Von der Belarussin Volha Hapeyeva ist auch ein in 2022 ausgezeichneter Essay erschienen,  den ich sehr gerne gelesen habe. (WORTMELDUNGEN Ulrike Crespo Literaturpreis für kritische Kurzttexte 2022.)
"Die Verteidigung der Poesie in Zeiten andauernden Exils" ist ein sperriger Titel, der der wunderbaren Sprache der Autorin nicht gerecht wird. Volha erzählt von ihrer Liebe zur und ihrem Leben mit Sprache. Wie denkt und wie erlebt eine Autorin Sprache und Heimat im Exil? Dazu zwei kurze Zeilen:

" ...Schiffe vor Anker, Autos auf Parkplätzen,
aber ich bin diejenige, die kein Zuhause hat ..."




Auch heute herrschen Draußen Temperaturen wie in einem Kühlschrank. Für den Straßengarten hatte ich Rindenmulch gekauft, der aber noch auf seine Verteilung wartet. Der vor einigen Jahren gepflanzte Pflaumenbaum blüht herrlich, obwohl es nass und kalt ist. Die Kirschblüte wird warten müssen. Im Süden Japans soll sie bereits begonnen haben und sicherlich ist es eine große Freude, zwischen blühenden Bäumen, bei hoffentlich milden Temperaturen zu flanieren. Sie zu bestaunen und die Seele mit ihrem Liebreiz zu aufzufüllen. 













Donnerstag, 29. Februar 2024

Welche Sprache trage ich heute ...

fragt Volha Hapeyeva. 


Copyright Photo: Stephan Pramme


„Sprache ist mein Leben“  - sagt Volha, welche und welcher mehr dazu wissen mag, folge bitte dem  
Link oder diesem weiterführenden Link

Bei wikipedia.org/wiki/Volha_Hapeyeva finde ich: Volha Hapeyeva (belarussisch Вольга Гапеева, deutsch Wolha Hapejewaenglisch Volha Hapeyeva; * 1982 in Minsk) ist eine belarussische Schriftstellerin, Dichterin, Übersetzerin und Linguistin. Ihr Name wird im Deutschen mit Wolha Hapejewa transkribiert, sie publiziert jedoch auch im deutschen Sprachraum unter ihrer englischen Schreibweise.

Volha Hapeyeva sagt: "Sprache ist mein Leben".  

Das ist so mutig und radikal - und ich bin so verliebt in diesen Satz, dass ich ihn mit euch teilen möchte. 

Im Original heißt Volhas Essay: "Which Language Are You Wearing Today"?

On Foreign and Home Languages

with Artworks by the Author



Mir liegt nur ein Ausdruck vor, den ich im Internet gefunden habe. 

Translation from German by Anna Bakinovskaia

English Editing by Annie Rutherford

Wenn andere Rechte vorliegen, bitte ich höflich um eine Mitteilung um sicher zu stellen, keine fremden Rechte zu verletzen.

*****

Warum lest ihr hier zur Zeit soviel über Bücher, Gedanken, Literatur? Nach meiner Ausbildung zur Heilpraktikerin für Psychotherapie und der Ausbildung zur Psychologischen Beraterin, erkenne ich immer tiefer, wie sehr Sprache (genauso wie Kunst) zum Menschen, Menschsein und zum Leben gehört.  Wie bereichernd sie sein kann aber wie in gleichem Maß auch  das Ungute damit einher gehen kann.  Selber wuchs ich in einer Familie mit sehr eigenen Sprachgebräuchen auf. Diese hatten Einfluss auf meine meine Rolle als Kind, Tochter und den damit einhergehenden Lern- und Sprachverhältnissen.

Derzeit bin ich Fernstudierende des Studienganges "Kreatives Schreiben". Ich erhoffe mir - auch für mein persönliches Wachsen - ein tieferes Verständnis von Sprache und Menschen, die mit Sprachen interagieren, mit ihnen leben . Das ist so ein weites Feld, immer wieder tun sich neue Möglichkeiten auf - und es freut mich, nach vielen Jahren einer anders bestimmten beruflichen Tätigkeit,  nun ein so herrlich weites Feld für mich gefunden zu haben.  

Nicht nur in meinem beruflichen Leben hatte ich immer wieder das Glück, auf Menschen zu treffen, die Sprache liebten und denen Sprache mehr war als nur schnöde Mitteilung eines Einkaufszettels oder einer Handlungsanweisung. Es ist im Nachhinein gleich, sie waren alle "Lehrer und Lehrerinnen oder Meister und Meisterinnen", denen ich zu Dank verpflichtet bin.

 

In einem weniger klar definierten Raum, handelt Annika Domainkos Roman,  "Ungefähre Tage". Ich habe das Buch neugierig aber auch mit einem weinenden Auge gelesen.                                                                                                                                                                                                                                                                          


                                                                                                                                                                                 Unklare Lebensverhältnisse beschreibt sie, die Autorin Annika Domainko, in ihrem Roman. Es sind Lebensverhältnisse, Lebensereignisse, die von Menschen, und die vom Leben und Arbeiten auf einer Station einer Psychiatrie, handeln. Umgekehrt aber auch von Menschen, die als Teil einer Erkrankung, in diese Form einer "Heilung" oder Besserung ihrer Symptome in bestimmten Kontexten verbleiben wollen oder müssen, ihnen zugeführt werden.  Hier trifft Pfleger Grün auf eine Frau, die ihn fasziniert. Die Autorin schreibt über „zwei haltlose Menschen, die sich getrieben von der Angst vor dem Zusammenbruch und von Kontrollverlust und sich daraus ergebenden Kontroll- und Machtverlust bewegen.

 Ein leiser Roman, teilweise beklemmend aber hinterfragend und aufmerksam schildernd. Ich habe ihn gerne gelesen. Und nicht nur hin und wieder mit der Frage im Kopf, wie würde ich agieren.

 *****




Im Winsener Buchladen habe ich mir Mangas angeschaut. So oft hatte ich (davor) das Gefühl, dass dies eine Form der Literatur ist, die vor allem jüngere Menschen, Leserinnen  und Leser betrifft. Doch ich habe erfahren, dass diese Gattung mittlerweile auch für "ältere Leser und Leserinnen" eine Bereicherung ist.

Gefunden habe ich ein Buch, das von einer „alten“ Frau erzählt, die einsam und dement ist, obwohl ihre Kinder sich liebevoll um sie kümmern. Sie erkennt ihre Enkeltochter nicht  mehr, erlebt viele Dinge anders, als ihre Tochter und deren Tochter. 

So wie der klassische Manga von hinten nach vorne, von rechts nach links gelesen wird, so entfaltete sich diese Geschichte, in der wir die Protagonistin rückwärts durch ihr Leben begleiten.


Yumi Sudo hat eine schöne Geschichte gewebt. Sie erzählt vom Leben zweier Frauen, die erst spät, zu spät, realisieren, dass sie ihr Leben gerne miteinander verbracht hätten … Entsprechend lautet auch der Titel: „Was bleibt von unseren Träumen?“

 Japan fasziniert ich gerade sehr. Es sind so ganz andere Lebenswelten, wobei mir natürlich bewusst ist, dass in Romanen und Berichten nur eine Annäherung stattfinden kann, die dem Vergleich mit der Gegenwart eher nicht standhalten wird. 


 Sehr gerne habe ich das Buch „Die letzte Konkubine“ gelesen. Es war eine völlig neue Welt für mich. Die Autorin, Lesley Downer, nimmt ihre Leser mit, in das „Edo-Zeitalter“, um 1860, in den Palast eines Shoguns in der Stadt Edo, dem heutigen Tokyo.
Lesley Downer ist die Tochter einer Chinesin und eines britischen Professors für Chinesisch, so dass sie natürlich in einem Haus voller Bücher über Asien aufwuchs. Trotz ihrer chinesischen Wurzeln interessiert sie sich mehr für Japan. 1978 ging sie zum ersten Mal dort hin und ließ sich sogar zur Geisha ausbilden. Insgesamt hat sie dort fünfzehn Jahre verbracht. Quelle

Mir war bis dahin nicht bewusst, dass die Konkubine eines Shogun in Japan, einen so hohen gesellschaftlichen Rang innehaben konnte. Die Autorin zeichnet „Frauenbilder“, die einen großen Kontrast zum heutigen Rollenverständnis von Frauen zeigen. Die Zeitschrift Brigitte wird auf dem Buchumschlag zitiert: „Ein opulenter Roman, der einen großartigen Einblick in die japanische Gesellschaft bietet“. Dem schließe ich mich an.

 


 Zuletzt noch ein Bild einer Kimekomi Puppe. Als Puppenliebhaberin und Puppenmacherin kam ich natürlich nicht umhin, nach Japanischen Schätzen Ausschau zu halten. Vielleicht mögt ihr sie ...










Noch ein Haiku, für diejenigen unter euch, die diese Form der Dichtung mögen:



Ich hab den Boten

unterwegs getroffen, öffne den Brief -

der Frühlingswind!


Kito


Quelle: dtv.de, München, 14. Auflage, München