Sonntag, 17. September 2017

Elf

Elf lange Wochen ist Samira heute tot. Elf lange Wochen ohne Liebe und Freude. Und ich habe es Zuhause nicht ausgehalten und bin das erste Mal ohne sie auf einem unserer Lieblingswege gelaufen, den wir so oft und so gerne gemeinsam gegangen sind. Meistens spielend mit Ästen und Bällen oder zusammen mit anderen Hunden, als kleine Gang.




Zwischen Regenschauern und Gewittern lief ich ziemlich rasch. 
Merkte, dass ich es hinter mich bringen, mich nicht in Gedanken und Tränen verlieren wollte. Und fuhr schon nach einer Stunde wieder in mein Dorf zurück.

Dort angekommen fiel mir der dörfliche Bücherschrank ins Auge und ich habe angehalten. Und ein wenig in den Regalen gestöbert. Ich hoffte auf Ablenkung, vielleicht irgend etwas Kleines, nicht zu schwierig zu lesen, meiner Stimmung angemessen. Hin und wieder hat man Glück und findet kleine Schätze. Meine Auswahl heute: schräg. Aber seht selbst.




Wieder Zuhause habe ich mir Tee gekocht und diese vier auf dem Tisch arrangiert. Ich hatte die Idee, aus jedem der Bücher ein paar Sätze sozusagen heraus zu picken und mit Euch zu teilen. Mögt Ihr?



Ich beginne mit "Fräulein Smillas Gespür für Schnee" von Peter Hoeg. Ich habe den Film zweimal gesehen, das Buch aber nie gelesen. Nun.
Da steht auf Seite 29, gleich oben folgendes: 





" ... Juliane Christiansen, die Mutter von Jessica, ist eine warme Empfehlung für die heilsame Wirkung des Alkohols. Wenn sie nüchtern ist, ist sie steif, stumm und gehemmt. Wenn sie voll ist, ist sie quietschvergnügt und spritzig.
Da sie heute morgen Antabus genommen und nach der Rückkehr aus dem Krankenhaus sozusagen auf die Tabletten getrunken hat, tritt diese schöne Verwandlung natürlich durch den Schleier eines vergifteten Organismus zutage. ..."


Ist das zynisch? Ist das Sozialkritik auf niedrigem Niveau? Oder schreibt man heute einfach so? 


* * *


Das zweite Büchlein aus der Reihe "Das kleine Buch" ist eine "Bildergalerie für Groß und Klein" und zeigt "Alte deutsche Kinderbuch-Illustrationen"




Meine "Kinderseele) hatte sich auf leichte Kost gefreut und ich schlage Seite 22 auf. Hier wird ein zappelnder Knabe gezeigt, der mit blankem Hintern auf den Knien seiner Mutter liegt, während ihm diese den selbigen versohlt (die Abbildung ist auch auf dem Bucheinband unten rechts zu sehen). 

Man sollte meinen, dass dieses Vorgehen der Vergangenheit angehört.
 Mitnichten! Heute heißt es häusliche Gewalt und es wird noch immer fleißig geprügelt. Dem steht gegenüber, dass jedes Kind ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung hat. Realität ist, nach einer Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) aus 2016, dass in Deutschland mindestens zwölf Kinder am Tag misshandelt werden. Drei Kinder sterben in einer Woche.

* * * * *

Eigentlich verlässt mich gerade die Lust ein wenig, weiter über meine "Schätze" zu schreiben. Dann denke ich, okay, du hast doch noch das Buch von Dale Carnegie mitgenommen. Dieser Bestseller "Sorge dich nicht - lebe! " hat meinem zwiespältigen Gefühl vielleicht etwas entgegen zu setzen. Auch dieses Buch habe ich nie gelesen. Die Tatsache, dass jeder es kannte, hat es mir ein klein wenig unsympathisch gemacht. Hmm. Das Buch wurde 1944 zum ersten Mal veröffentlicht. Der Autor ist bereits vor vielen Jahren, 1955 gestorben.


Ich zitiere aus Seite 89: "Eine Zeit lang quälte Longfellow die Erinnerung an jenes schreckliche Ereignis so, dass er fast verrückt geworden wäre. Doch zum Glück waren noch seine drei kleinen Kinder da, die ihn brauchten. Trotz seines Kummers bemühte er sich, ihnen Vater und Mutter zugleich zu sein. Er ging mit ihnen spazieren, erzählte ihnen Geschichten, spielte mit ihnen und verewigte diese Zeit in seinem Gedicht "Die Kinderstunde". Außerdem übersetzte er Dante. Und all diese Pflichten hielten ihn so in Atem, dass er sich selbst darüber völlig vergass. Er fand seinen Seelenfrieden wieder."

Am Ende des Kapitels subsumiert er: "Jeder Psychiater wird Ihnen bestätigen, dass Arbeit - Beschäftigtsein - eines der wirksamsten bekannten Beruhigungsmittel für kranke Nerven ist."

Ein wenig schäme ich mich jetzt, das Buch bisher nicht gelesen zu haben. Ich finde Elemente, die mir vertraut und richtig erscheinen und möchte meine Einstellung bezüglich populärer Selbsthilfeliteratur einer Prüfung unterziehen. 

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Nun aber zu den "Menschen im Büro" Von Kafka zu Martin Walser - Vierzig Geschichten. 


Hier habe ich mir Friedrich Christian Delius heraus gepickt. Ein Stück Dokumentarliteratur - die Festschrift für Siemens: "Unsere Siemens-Mitarbeiter". 

"Die treuesten Mitarbeiter des Hauses sind von jeher in unserer Angestelltenschaft zu finden. Ob als Männer des Vertriebs oder der Finanzabteilung, ob als Sekretärinnen oder Meister - hier haben wir es mit Menschen zu tun, die sich voll mit ihrem Unternehmen, in das sie eingebettet sind, identifizieren. "..." - lediglich die Meister, die ihre soliden Führungsmethoden z.T. bei der Wehrmacht gelernt haben, spielen hier noch eine nicht zu unterschätzende Rolle "..."

Das ist Satire vom Feinsten und so geht es weiter. Es hat dem Autor aber eine Klage von Siemens beschert. Denn die sah in der Festrede eine "verleumderische Schmähschrift". Ich kann mir das Grinsen nicht verbeißen, möchte die Lektüre dieser Schrift daher gerne empfehlen. Ein bisschen nachdenklich macht es mich aber doch, wenn ich einen Vergleich zu heute ziehe. Die genannte Schrift stammt aus dem Jahr 1972, wie würde ähnliches heute aussehen? 


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Am Ende wird alles gut! Und wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende. (Oscar Wilde)



Deshalb möchte ich eine große Freude mit Euch teilen.


Gestern habe ich die Zusage erhalten, dass ich diese kleine Hündin adoptieren darf. Sie lebt in Rumänien und wurde dort von Tierschützern gerettet. Wenn alles gut wird, wird sie in sechs Wochen bei mir sein.

Ich wünsche Euch einen ruhigen und/ oder besinnlichen Sonntagabend, oder vielleicht seid Ihr ja noch unterwegs und liebt es in der Bewegung zu sein. Oder im Flow, ganz so, wie es Euch gut tut. Und mit Euch dieser Satz von Oscar Wilde:


Am Ende wird alles gut! Und wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende.




Sonntag, 10. September 2017

Es ist Herbst geworden

gefühlt sehr schnell - auf diesen Sommer, der eigentlich keiner war, hier im Norden. Durch den Dauerregen herrschte Draußen entweder ein langweiliges Regengrau oder feuchtes Blättergrün. Blüten gab es nur wenige, dieses Jahr. Scheinbar über Nacht hat der Garten seine Farben gewechselt. Plötzlich gibt es Beeren, unreife Weintrauben und Blattgold.


Am letzten Sonntag - es war gefühlt noch Sommer - war ich in der Lüneburger KulturBäckerei (hier) zu einer kleinen Ausstellung: FORMART. 


Ich habe meine Lust an Farben und Bildern wieder gefunden. Noch etwas zaghaft, aber eine Tür die verschlossen war, öffnet sich wieder. 

Der kleine Münchhausen

 Durfte sehnsüchtige Blicke wagen in die Schaffensräume von Künstlerinnen und Künstlern, 


hier z.B. das Atelier von Gero Braeutigam (hier)


Treppenhaus der KulturBäckerei




und das Atelier von Ursula Blancke-Dau (ebenfalls hier)


Treppenhaus KulturBäckerei
Wieder zuhause mit "fetter Beute" habe ich meine Schätze (wie ich sie liebe) im Freien ausgebreitet. Diese Nachlese eines Tages. Mit Fotografien, Flyern, Karten und Andenken der Menschen, die ihre Kunst mit uns teilen. 




Als Puppenbegeisterte konnte ich "Lydia", einem Kopf von Renate Ellereit-Laube nicht widerstehen. 


Und habe mir das Versprechen gegeben, diesen schönen Ort künftig regelmäßig zu besuchen.




Treppenhaus während der Ausstellung

Aber wir waren ja beim Herbst und ich wollte gerne etwas Blattgold zeigen. 

Zu dem mir Worte aus den Upanishaden so gut gefallen: 


Es gibt ein Licht, das jenseits der Welt strahlt, jenseits von allem, über allem, jenseits des höchsten Himmels. Es gibt das Licht, dass in deinem Herzen scheint.



Die Trauben wachsen an der Nordseite des Hauses und dürfen wachsen wie sie wollen. Ich schneide sie nicht und hauptsächlich sind sie eine Freude für die Amseln, die sie gerne mögen.

Sie wachsen hier in schöner Eintracht mit dem Bambus, den ich allerdings schneiden muss. 



 Das ist die Schattenterrasse an der Nordseite. Links sieht man das Weintrauben-Bambus-Duett. Der wilde Wein muss leider auch regelmäßig in Zaum gehalten werden. Er wächst zu gerne in die Dachrinne und auf das Dach. Ich mag es ja gerne wild-romantisch, doch ich sehe natürlich auch die Notwendigkeit das Dach zu schützen.



Immer wieder begeistert mich zu sehen, was alles an der Nordseite, im Schatten zum Blühen kommt. Es ist irgendwie auch eine Metapher dafür, dass auch die Schattenseiten im Leben irgendwie schön sind ... Früchte tragen.




Hier sind Blüte und Frucht an einer Rose gleichzeitig.




Auch meine geliebte Bauernhortensie blüht im Vergleich zu anderen Jahren weniger üppig.


Um so schöner ist es, sie ganz nahe zu betrachten und sich an den feinen Farbverläufen zu freuen.





 Feuerdorn und Ilex schmücken sich ebenfalls herbstlich. Auch hatte ich Lust, ein paar Häuser für das Kleine Volk vorzubereiten. Das  kleine Dörfchen wird noch ein wenig wachsen.


Mit diesen freundlichen Herbstfarben will ich gerne die nächsten Wochen verbringen. Das Gelb der Blätter, das Braun verblühter Fruchtstände und das herrliche Rot der wenigen Äpfel.  





Die Farben des Herbstes