Juni 22, 2025

Das Ankommen und Weitergehen



Schon werden die Tage wieder länger. In wenigen Tagen beginnt der Juli und wir sind auch kalendarisch in der zweiten Jahreshälfte angekommen. Litha. Es ist eine Einladung,  sich der Sonne und ihrer tiefen Heilkraft zu öffnen. Ich bin bereit, mich von ihrem Licht berühren zu lassen. Nicht brennend, sondern mit Güte, mit Mut und Geduld. 

Ich habe gestern ein stilles Sonnenwendfest gefeiert. Dazu habe ich Kerzenlicht eingeladen, das mit dem Tanz der Flamme, die an die Stärke und Kraft des Lichts erinnert,  die Seele stärkt. Ich habe ein paar Orakelkarten zu mir kommen lassen, aus dem "Seasons of the Witch Oracle". Noch erzählen die Karten von Bewegung und Neubeginn und ich lasse mich zu gerne berühren, von ihrer Botschaft. 



Schon bald im Jahresrad heißt es: Ich lasse los, was gehen will und soll. Ich gebe Raum, damit Neues zu mir findet. Die Ruhe das Nachklingen ist auch eine Einladung an das Leben. Ich verliere nichts.







Juni 15, 2025

Verboten, verbannt –

 und doch lebendig

Ein Hymnus an die Bücher, die man nicht lesen soll – und gerade deshalb lesen muss

Es beginnt mit einem Rascheln, kaum hörbar. Ein Windstoß zwischen den Seiten der Welt.
Ein Buch wird aus dem Schulregal genommen, ein anderes aus der Stadtbibliothek entfernt.
Begründung: „Unangemessener Inhalt.“


Doch was ist unangemessen? Ein Kuss zwischen zwei Jungen? Ein Gedicht, das von Widerstand erzählt? Ein Mädchen, das laut denkt? Ein Schwarzer Junge, der Geschichte schreibt?

Man nennt sie banned books, doch sie sind nichts anderes als Spiegel.
Und Spiegel, so wusste schon Perseus, können gefährlich sein – besonders für jene,
die sich nicht erkennen wollen.

In den Vereinigten Staaten flammt die Zensur wie ein kaltes Feuer auf. Schulbehörden streichen Werke, die von Identität, Herkunft, Geschlecht, Haut, Hunger und Herz sprechen. Und mit jeder Entfernung wächst ihr Leuchten. Denn Bücher, die verboten werden, tragen oft das Licht, das die Welt braucht.

Doch wir erinnern uns. Wir Leserinnen, wir Träumer, wir Sammler der Zwischenworte. Wir wissen: Ein verbanntes Buch ist ein Siegel, das sagt: „Hier spricht Wahrheit. Hier liegt Kraft. Hier darfst du dich selbst erkennen.“


Hier seht ihr meine „Schwarze Liste der leuchtenden Bücher“, eine Bibliothek der Unbeugsamen, der Mutigen, Verboten aber Unsterblich.

Hier nur eine kleine, unvollständige Galerie der gefährlichen Bücher – weil sie Menschen wecken:

  1. "1984" von George Orwell
    – Weil es zu deutlich mahnt. Weil es zu genau sieht.
    „In Zeiten universeller Täuschung ist das Aussprechen der Wahrheit ein revolutionärer Akt.“
  2. "Das Tagebuch der Anne Frank"
    – Weil ein junges Mädchen nicht schweigen wollte.
    Und weil ihre Stimme, zart und glasklar, den Hass überdauert.
  3. "The Handmaid’s Tale" von Margaret Atwood
    – Ein rotes Gewand, das Angst macht,
    weil es prophetischer ist, als man zugeben möchte.
  4. "Harry Potter" von J.K. Rowling
    – Weil Magie Angst macht – besonders, wenn sie in Kinderhänden liegt.
    Bücher, die Kinder zum Denken bringen, sind immer ein wenig gefährlich.
  5. Die Bibel (ja, die Bibel!)
    – In manchen Ländern, zu manchen Zeiten,
    weil ihre Worte zu mächtig, zu umdeutbar, zu unkontrollierbar waren.
    Ein Buch voller Feuer, Licht, und Abgründe.
  6. "Gender Queer" von Maia Kobabe
    – Ein visuelles Zeugnis von Identität jenseits der Norm.
    Zensiert, weil es ausspricht, was viele leben.
  7. "The Bluest Eye" von Toni Morrison
    – Weil ein Schwarzes Mädchen sich danach sehnt, gesehen zu werden.
    Und das Weinen der Welt zu laut ist.
  8. "All Boys Aren’t Blue" von George M. Johnson
    – Weil es Jungen zeigt, die weich, stark und queer sein dürfen.
  9. "Stamped" von Ibram X. Kendi & Jason Reynolds
    – Eine Chronik des Rassismus, die lieber nicht unterrichtet wird.
    Denn sie ist zu klar, zu schneidend, zu wach.
  10. "This Book Is Gay" von Juno Dawson
    – Ein Liebesbrief an queeres Leben – und gerade deshalb Ziel von Verboten.
  11. "Looking for Alaska" von John Green
    – Weil Teenager Fragen stellen. Und Bücher Antworten flüstern.
  12. "Fun Home" von Alison Bechdel
    – Ein Haus voller Spiegel, Erinnerungen und Identität.
    Entfernt, weil es ehrlich ist.
  13. "Out of Darkness" von Ashley Hope Pérez
    – Weil es Unrecht benennt, das lieber verschwiegen wird.
  14. "13 Reasons Why" von Jay Asher
    – Ein Echo auf die Stimmen, die sonst keiner hört.

Ein leiser Schlussgedanke:

Wenn ein Buch verboten wird,
dann ist es Zeit, es zu lesen.
Nicht aus Trotz –
sondern aus Liebe zur Freiheit, zur Vielfalt, zum Menschen 

Denn in jedem verbannten Buch
schlägt ein Herz,
das niemand zum Schweigen bringen kann.



Juni 14, 2025

Wenn Schweigen Gesetz wird – Ein dystopischer Ruf aus hundert Worten

 Stell dir vor, jeder Tag hätte ein Kontingent: 100 Worte.

Hundert Tropfen aus dem Ozean deines Denkens.
Hundert Atemzüge für Liebe, Schmerz, Wut, Trost, Erkenntnis.
Was würdest du sagen? Und worüber würdest du schweigen?

Christina Dalchers Roman Vox führt uns in eine Welt, in der Schweigen Pflicht ist — nicht aus Schüchternheit, sondern aus politischem Kalkül. Mädchen und Frauen dürfen nur noch hundert Worte am Tag sprechen. Wer diese Grenze überschreitet, wird durch ein Armband mit Stromstößen bestraft.

Diese fiktive Zukunft ist so beängstigend real, weil sie Sprache nicht nur als Kommunikationsmittel versteht, sondern als Schlüssel zur Macht – und deren Entzug als Wurzel aller Kontrolle.

Sprache ist Macht – und Schweigen ist Politik

Sprache ist unser innerstes Territorium. Sie ist das Feld, auf dem Gedanken wachsen, die Brücke, auf der wir einander begegnen, das Haus, in dem unsere Würde wohnt.

In Vox wird Sprache zur Waffe – und ihre Begrenzung zur Zensur der Seele. Frauen verschwinden aus öffentlichen Debatten, aus der Forschung, dem Unterricht, den Entscheidungsgremien. Ihre Gedanken bleiben ungesagt, ihre Stimmen ungehört.

Doch ist das wirklich Zukunftsmusik? Oder erleben wir bereits eine leise Vorform – eine Gesellschaft, in der Frauen sich oft zurücknehmen, unterbrechen lassen, ausbremsen?



 Jean McClellan – eine Frau im Zwielicht des Erwachens

Die Protagonistin Jean ist keine Heldin mit Schwert, sondern mit Sehnsucht.
Sie ist Mutter, Wissenschaftlerin, eine, die gelernt hat, sich einzufügen – bis zu jenem Moment, an dem Schweigen nicht mehr erträglich ist. Jean beginnt zu begreifen: Schweigen schützt nicht.
Es konserviert das Unrecht.

Und doch bleibt sie oft allein. Die weibliche Allianz, die man in solch einer Erzählung erhofft, bleibt blass. Die Rebellion ist kein Chor, sondern ein Solo – und das schmerzt. Denn echte Veränderung beginnt nicht mit Einzelnen, sondern mit Gemeinschaft.

 



Ist das schon Realität – oder noch Fiktion?

Deutschland:

  • Frauen verdienen im Durchschnitt weniger.
  • Ihre Stimmen werden seltener gehört, sei es in Talkshows, Vorstandsetagen oder politischen Gremien.
  • In sozialen Netzwerken sind sie überdurchschnittlich von digitalem Hass betroffen.
  • Der Zugang zu selbstbestimmter Gesundheitsversorgung bleibt ein politisches Dauerthema.

Weltweit:

  • In Afghanistan ist Bildung für Mädchen gefährlich.
  • Im Iran riskieren Frauen ihr Leben, wenn sie tanzen, sprechen, singen.
  • In vielen Staaten werden Grundrechte Schritt für Schritt zurückgebaut – Sprache, Pressefreiheit, Zugang zu Informationen.

 

Was tun mit hundert Worten?

Vox ist kein Zukunftstrauma, sondern ein Weckruf.
Ein Flammenzeichen in Zeiten, in denen viele Frauen immer noch gegen das Verstummen ankämpfen müssen – sei es im Beruf, in der Familie, auf der Straße oder in der Politik.

Was also tun, wenn man hundert Worte zur Verfügung hat? Man könnte sie schweigend zählen.
Oder sie setzen wie Samen – für andere, für uns selbst.

Denn aus hundert Worten kann ein Gedicht wachsen, ein Widerstand, ein Aufruf. Manchmal genügt ein Satz, um eine Tür zu öffnen. Manchmal genügt ein Nein, um eine Kette zu sprengen. 


 „We will not be silenced.”
Vox

Wenn du heute sprichst – wenn du deiner Tochter, Freundin, Schwester, deiner Mutter zuhörst –
wenn du für dich selbst das Wort erhebst: Dann bist du Teil des Lichts, das das Schweigen durchbricht.

Also sag es.
Schreib es.
Flüstere es in den Wind.
Du hast mehr als hundert Worte verdient.
Du hast das ganze Alphabet im Herzen.

 




Juni 07, 2025

Räume

Während der Regentage dachte ich an das Buch "Der Kuss des Einhorns" von Tracy Chevalier. Ich habe das Buch erst zu einem Drittel gelesen und überlege, ob ich weiterlesen soll .... 

Es ist die Figur, des Nicolas des Innocents, die mich zögern läßt. Der Gute pflegt ein sehr inniges Verhältnis zu seiner Libido und ist um keine flotte Rede verlegen, um unter die Röcke der Damen zu gelangen. Mein Männerbild ist gerade nicht freundlich und ich denke, dass ich nicht soviel von der männlichen Welt brauche. Gleichwohl es mir hätte bewusst sein müssen, denn Paris um 1490 ... es herrschten klare Geschlechterverteilungen und die Damen hatten mal wieder keine gute Zeit. 


Und dazu habe ich immer diese eine Gedichtzeile von Martin Walser im Kopf. Sie lautet: Dem Gehenden schiebt sich der Weg unter die Füße" ... (siehe unten). Ob ich einfach als "Gehende" weiterlesen sollte und der Rest des Buches erschließt sich dann ? Oder ich achte auf mein Nichtwollen.

Wenn ich aber doch weiter lese, werde ich vielleicht nicht gleich wissen, warum ich weiterlesen sollte, aber wenn dann legt sich der Teppich der Geschichte aus – und darunter könnten sich Bilder und Erkenntnisse zeigen, die erst im Fortgang spürbar werden.

Und wer weiß, vielleicht wohnt bereits ein Teil der Figuren in mir, hat sich in meinem Bewusstsein eingenistet und wartet darauf, hervorkommen zu dürfen. Vielleicht wartet eine Szene, eine Begegnung, ein Satz, der mein heutiges Denken auf wunderbare Weise verändern könnte. Es gibt nicht nur die Gefahr.

Und was Nicolas des Innocents betrifft, ich erspare mir das andere Geschlecht. Ich erschaffe einen Raum der Heilung, nicht der Reproduktion alter Machtverhältnisse. Lasst uns gemeinsam achtsam mit uns selbst sein.



Es gibt nicht nur die Gefahr,

dass du zu viel riskierst,

es gibt auch die Gefahr,

dass du zu wenig riskierst.

Dem Gehenden schiebt sich

der Weg unter die Füße.


(Martin Walser, 24.03.1927 - 28.07.2023)

aus dem Gedicht "Mut"





Tapisserie - Wandteppich - Bildwirkerei 


Juni 05, 2025

Ein Echo aus der Stille


Lass uns lauschen,
nicht mit den Ohren allein –
sondern mit jenem inneren Verstehen,
das zwischen Sein und Suchen lebt und den Faden der Menschlichkeit spinnt.

Für jene,
die die Sprache der Sehnsucht nicht fürchten.

Nehmt es.
Nicht als Gabe.
Nicht als Gnade.
Sondern als das, was es ist:
Ein Echo,
das seine Antwort sucht.

Nichts ist heilsamer als ein Innehalten,
wenn die Seele nach Stille ruft.

Du darfst jetzt ganz du sein.
Dich nähren. Atmen. Ruhen.

Mit jener Kraft,
die nicht aus Überlegenheit,
sondern aus Herz-Erinnerung wächst.

In eine andere Richtung aufmachen,
seinem eigenen Licht entgegen.

Ein Echo,
das nun - seinen Ursprung und seine Antwort kennt.




Denn wer den Himmel in sich trägt, wie Geschichten es tun,

hat Platz für alle -

auch für jene, die nur im Schatten zu existieren glaubten.