Dem Winter entgegen - mit einem Gedicht von Ingeborg Bachmann
I
Ich wollte nie so versinken
Und ich will nicht glauben,
daß die heiligen Stunden,
die selbst im Trubel ich fand,
mich verließen, wie launische Winde.
Ich werde wandern und suchen.
Und wenn ich einmal sie finde,
werde ich nie mehr lassen,
daß die leidigen Tage
mich fransen wie seidiges Tuch.
Ich hatte Einsamkeit und weine,
daß ich so leicht sie ließ,
dem sie kam zu geben,
während Schlaf mich umfing!
II
Schmerzend ist jede Nacht,
Wenn du den sterbenden Tag,
Gefesselt, ihn ganz zu erfüllen,
Still hast bedacht.
"Einem Winter entgegen ..."
Quelle: Ingeborg Bachmann
Sämtliche Gedichte
Piper Verlag München, 2023
Winterzeit ist Innenzeit. Während die Welt draußen, mit Schnee sich schmückt, macht sie harte Konturen sanft - macht sie erreichbar, für Gedanken und Körper, für Geist und Seele. Macht sie mich geneigt, Unsanftes zu betrachten, in der Geborgenheit meines Hauses. Eine vorsichtige Annäherung findet statt, an intime Gedanken anderer und Autorinnen.