Sonntag, 2. Februar 2025

Eiskalte Tage und Nächte

verhindern vorerst noch größere Gartenepisoden oder ausgedehnte Spaziergänge mit Marie und anderen. Was liegt näher, als sich mit schönen Büchern und guten Bildern die Zeit zu vertreiben. Meinen Lesemonat Januar habe ich mit einem Buch abgeschlossen, das mir über Bücherwelten und Buchliebhaber*innen erzählte und mir eine andere Art von Büchern nahegebracht hat.


Die Rede ist von Kai Meyers Buch Die Bibliothek im Nebel ist eine atmosphärische Erzählung, die historische Fakten mit literarischer Fiktion verbindet. Im Mittelpunkt steht der junge Bibliothekar Artur, der 1917 vor der Russischen Revolution aus Sankt Petersburg flieht. Mit einem geheimnisvollen Manuskript im Gepäck reist er nach Leipzig – der „Bücherstadt“ –, in der Hoffnung, seine verlorene Liebe Mara wiederzusehen. Inmitten politischer Umbrüche, literarischer Rätsel und den Schatten der Vergangenheit entfaltet sich eine Geschichte über die Macht von Worten und Büchern - und die Gefahren von Wissen.

Die Figuren sind durchaus tragisch zu nennen und ich fragte mich beim Lesen, wie ein Mensch so viel Unglück erleben und dabei nicht zerbrechen kann. Lag es an der Zeit oder den Menschen? Haben Menschen früherer Epochen eine andere Einstellung zu Lebensthemen entwickelt, entwickeln müssen und wären wir dazu heute noch bereit, bzw. fähig.

Meyer verwebt kunstvoll verschiedene Zeitebenen: Während Arturs Geschichte von Flucht und Neubeginn erzählt, folgt ein anderer Erzählstrang den „Forschern“ Liette und Thomas, die in der Gegenwart auf Arturs Spuren wandeln und dessen Vergangenheit rekonstruieren wollen, um Mara - die lange Zeit verschollen ist, wieder zu finden. Mit seiner einmaligen Erzähltechnik, seinem feinen Gespür für historische Details und einem Hauch von Mystik erschafft Meyer eine dichte, fast traumartige Atmosphäre, die mich nicht loslassen wollte.

Die Charaktere sind vielschichtig, besonders Mara, deren Vergangenheit zwischen Liebe, Verlust und (tödlichen) Geheimnissen changiert, die erst im Laufe der Geschichte deutlich werden. Auch die beiden Akteure Liette und Thomas, die die Geschichte von hinten aufrollen, tragen zur Tiefgründigkeit des Romans bei, da es ihnen gelingt, im Laufe ihrer Recherchen ein Puzzlestück zum anderen zusammenzufügen.

Die Bibliothek im Nebel ist nicht nur eine Hommage an Bücher, Leser*innen und ihre Bewahrer, sondern auch eine Reflexion über die Unausweichlichkeit von Geschichte und Geschichten. Das Buch ist ein faszinierendes Leseerlebnis für diejenigen, die historische Romane mit literarischem Anspruch schätzen.

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Was war noch? Gemeinsam mit einer Freundin habe ich wieder die Kunsthalle der Kulturbäckerei in Lüneburg besucht. Wir erlebten die Vernissage "Zeichen eines Lebens" von Gerhard Fietz. 

Das Kunstarchiv Lüneburg (** siehe unten) schreibt über den Maler: 

"Gerhard Fietz studierte Malerei in Breslau (bei Alexander Kanoldt und Oskar Schlemmer), Düsseldorf und Berlin. Traumatische Erfahrungen als einfacher Soldat an der Ostfront (1941–1943) flossen lebenslang in seine Kunst ein. Fietz zählte nach 1945 zu den avantgardistischen, abstrakten Malern in München, die in ihrem Schaffen eine „innere Klärung“ suchten. 1949 gehörte er zu den Gründern der Künstlergruppe ZEN 49. Seine Kunst, durchzogen von einer spirituellen Ebene, suchte ein „neues Alphabet der Verständigung“ und führte in seinem Kernwerk zu einer bis ins Explosive reichenden Dynamik in Form und Farbe. In wiederholt gemalten Schreckensszenarien als Kriegsverarbeitung und Mahnung vor Krieg sind auch gegenständliche Bezüge zu finden. Erhalten hat sich ein großes Konvolut an Russland-Zeichnungen.

1957 wurde Gerhard Fietz zum Professor an der Hochschule der Bildenden Künste in Berlin ernannt. Ab 1979 lebte er, nach einem Aufenthalt zur Gründung der Künstlerstätte Schloss Bleckede, bis zu seinem Tod in Göddingen."


Gezeigt wurde eine umfassende Retrospektive seines Werkes. Obwohl die Bilder auf den ersten Blick unbefangen und farbig daher zu kommen scheinen, hat der Künstler in vielen seiner Bilder Erlebnisse aus dem zweiten Weltkrieg verarbeitet. 

Seine Tochter, Judith Fietz, erzählte aus dem Leben des Vaters und hat die gezeigten Bilder aufs Beste ergänzt und den Schauenden näher gebracht. 









** Kunstarchiv Lüneburg

Ein Projekt der Sparkassenstiftung Lüneburg

Dorette-von-Stern-Str. 10

21337 Lüneburg