Montag, 30. Dezember 2024

Die Behörde

 


Es ist der vorletzt Tag im "alten" Jahr und ich möchte eine Novelle vorstellen, die ich im Rahmen meines Studiums "Kreatives Schreiben" schon im August verfasst habe. Das Thema ist angesiedelt im Bereich des magischen Realismus, doch könnte ich mir vorstellen, dass solche Begebenheiten durchaus Realität werden können. Aber lest selbst:


Die Behörde

Endlich erreichte Herr Hesse das Amt für Auskünfte und Anträge aller Art, ein großes, graues Gebäude, ein Würfel aus Glas, Metall und Beton. Er suchte eine Schlange, in der weniger Menschen zu stehen schienen als in den vielen anderen. Seitdem es keine Suchmaschinen mehr gab, jedenfalls nicht für Normbürger wie ihn, stellte sich Gott und die Welt in diesem Amt an, um sich mit Auskünften und Formularen zu versorgen. Nach einer Stunde Warten in einer langen Reihe war Herr Hesse genervt, aber er musste seine Frage, seinen Antrag stellen.  Er schwitzte, denn die Schilder über den Schaltern änderten sich ständig. Mal hießen sie Abteilung für verlorene Gegenstände aus Papier, Antrag für nichtexistierende Gegenstände oder Amt für verborgene Realitäten.

Der Nächste Bitte, erklang eine leise knarrende Stimme hinter der Stellwand aus Holz.  

An dem vor neugierigen Blicken verborgenen Schalter saß ein Mann mit einem riesigen Buch. Der Mann trug eine kreisrunde Brille mit so dicken Gläsern, dass seine Augen kaum zu sehen waren. „Was kann ich für sie tun?“ Fragte er mit monotoner Stimme.

Ich möchte eine Frage stellen, stammelte Herr Hesse und trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. Eigentlich möchte ich einen Antrag stellen. Einen Antrag auf … er stockte, denn auf einmal wusste er nicht mehr, was er sagen wollte. Zögernd zog er ein Papier aus seiner Tasche, es war ein Antrag auf, ja, was eigentlich? Er wusste es nicht mehr genau. Die Worte auf dem Papier hatten sich verwandelt in Linien und merkwürdige Zeichen, die tanzten und sich neu formten, sobald er versuchte, sie zu lesen.

Der Mann hinter dem dicken Buch lächelte erstaunlicherweise. Das geht vielen so, meinte er. Die meisten Menschen wissen nicht, was sie wollen, wenn sie hier stehen.

Herr Hesse reichte das Dokument hinüber, obwohl er sich sicher war, dass es nicht mehr lesbar war. Der Mitarbeiter am Tresen betrachtete es kurz und nickte dann. Sie müssen weiter zur Abteilung für verlorene Anträge, teilte er Herrn Hesse freundlich mit.

Herr Hesse begann zu schwitzen. Verlorene Anträge? Aber ich habe meinen doch gerade abgegeben. „Natürlich“, antwortete der Herr und lächelte nicht mehr. Ihr Antrag ist erst dann vollständig, wenn er verloren gegangen ist.

Herr Hesse nickte verwirrt und folgte den Anweisungen durch sich windende Gänge, um die Abteilung für verlorene Anträge zu finden. Immer wieder fand er sich an der gleichen Stelle wieder, wo andere Menschen mit gehetzten Blicken wie Schatten an ihm vorbeihuschten, scheinbar auf der Suche nach etwas, das sie nie finden würden. Vor Herrn Hesse erschienen mehrere Türen. Jede Tür war mit einem anderen Symbol verziert: ein Herz, ein Stern, ein Fragezeichen, ein Buch und merkwürdige Zeichen, die wie Buchstaben wirkten. Herr Hesse fragte sich erst gar nicht, welche Bedeutung die Symbole haben könnten. Er war erschöpft und wusste nicht, welche Tür er wählen sollte. Jede Entscheidung schien ihm irgendwie endgültig zu sein.

Endlich erreichte er eine Tür, die mit „Verlorene Anträge“ beschriftet war. Erleichtert und ohne Zögern trat er ein.

Drinnen erwartete ihn ein Raum, der größer zu sein schien, als das ganze Gebäude, vollgestopft mit Regalen, die bis in den Himmel zu reichen schienen. Überall schwebten Anträge in der Luft, tanzten wie Blätter im Wind und schienen ihren eigenen Willen zu haben.

Ein Mann in einem übergroßen Anzug, trat auf Herrn Müller zu. „Willkommen“, sagte er freundlich, ich bin der Hüter der verlorenen Anträge. Lassen Sie mich sehen, was wir für Sie tun können.

Aber mein Antrag... stammelte Herr Hesse mit schwacher Stimme …

Der ist verloren, unterbrach ihn der Mann lächelnd. Das ist genau richtig. Jetzt können wir fortfahren.



Sonntag, 15. Dezember 2024

Freitag, 13. Dezember 2024

Sich kennenlernen

Meine Sterne zeigen heute ein zwiespältiges Gesicht. Ihr Einfluss zeigt sich darin, dass mir eine Periode ungewöhnlich intensiver Gefühle bevorstehen soll.  Sie kennen meine Bedürfnisse und vermitteln mir ihre Botschaft in Form freundlicher Worte. So wird mir eröffnet, dass ich heute Morgen das starke Bedürfnis habe, mich selbst kennenzulernen und das Leben weitgehend durch meine Emotionen zu erleben.

Es kann demnach eine Zeit sein, die nicht allzu gut geeignet ist für Arbeiten, die einen klaren und emotionslosen Geisteszustand erfordern. Klarheit und Emotionslosigkeit sind tatsächlich gerade kein großes Thema für mich. Bin ich etwa gefährdet, im täglichen Leben, bei meinem alltäglichen Tun meine Emotionen zu stark mit einzubringen? Und wenn ja, worin liegt diese Gefahr? Warum soll ich nicht einen Gefühlsreichtum erleben, der mich froh stimmt und durch den Tag trägt.

Sind es nicht die positiven Emotionen, die helfen Ärger und Spannungen zu bewältigen? In einer emotional positiven Verfassung habe ich viel stärker die Gewissheit, mit Schwierigkeiten fertig zu werden und mich innerlich stark und sicher zu fühlen. So kann ich eigene Prozesse überdenken, sie bewerten und ihnen - falls nötig, einen anderen Platz auf meiner Prioritätenliste zuweisen.

Und das Wichtigste: Ich müsste kein schlechtes Gewissen haben, gegenüber meinem Engel. Heute Morgen habe ich davon gelesen, über die Engellieder von Rainer Maria Rilke, irgendwo im Netz. Sofort sprang mich mein Gewissen an, wie es denn sein kann, dass ein „armer“ Engel meinetwegen so leiden müsse. Das muss er nicht und das soll er nicht, erklärt meine innere Stimme. Denke an das, was du weiter oben über die Sterne geschrieben hast und ihre Botschaften. Denke an das Leben das besser gelingt, mit positiven Gefühlen und der Kraft die aus diesen wächst.


Ich ließ meinen Engel lange nicht los,
und er verarmte mir in den Armen
und wurde klein, und ich wurde groß:
und auf einmal war ich das Erbarmen,
und er eine zitternde Bitte bloß.

Da hab´ ich ihm seine Himmel gegeben, –
und er ließ mir das Nahe, daraus er entschwand;
er lernte das Schweben, ich lernte das Leben,
und wir haben langsam einander erkannt...

Seit mich mein Engel nicht mehr bewacht,
kann er frei seine Flügel entfalten
und die Stille der Sterne durchspalten, –
denn er muss meiner einsamen Nacht
nicht mehr die ängstlichen Hände halten –
seit mich mein Engel nicht mehr bewacht.

* * * * *

Ich ließ meinen Engel lange nicht los -Engellieder - Rainer Maria Rilke




Dienstag, 3. Dezember 2024

Zeit

 



NICHT OKTOBER NICHT NOVEMBER


Herbst sagst du
aber ich sage dir
nicht Oktober nicht November
du musst einen neuen Kalender erfinden
ein andres Alphabet
eine Sprache die Einhalt gebietet
denn die Zeit fällt
fällt ins Unabsehbare
und wir fallen mit ihr

(Rose Ausländer)


Es ist Dezember. Der erste Advent wurde gefeiert und ähnlich, wie in Rose Ausländers Lyrik, erlebe ich diese Zeit als etwas das "fällt". Einem oder einer zufällt und weiter zieht. Es ist Zeit, an die Sperr- und Dunkelnächte zu denken, die ich ab dem 8. Dezember "feiern" werde. Ebenso werde ich, wie jedes Jahr, die Rauhnächte zelebrieren. Die Zeitqualitäten wollen aufmerksam beobachtet, gewürdigt und gelebt werden. Ich werde in die Vergangenheit und in die Zukunft schauen und ahnen und wissen, dass Zeit viele Dimensionen hat, von denen wir nicht alle kennen.  


Die passende Lektüre heute: Die Entdeckung der Langsamkeit von Sten Nadolny