Freitag, 17. Januar 2025

Heißes Blut

 

von Un-Su Kim ist der Titel des Romans, den ich in der letzten Woche gelesen habe. Meine Reise hat mich wieder in ein fernes Land geführt, dieses Mal nach Südkorea. Ich denke, es ist das Fremde, das mich so fasziniert an den Romanen aus Japan, Korea oder China und anderen. Fremde Kulturen und Lebenswelten, die ich in der Abgeschiedenheit meines Dorfes nicht mehr finde. Dinge wie Kunst, Kultur oder  landestypische Küche, die in Frankfurt oder Hamburg selbstverständlich waren und sind, finden hier nicht statt. So lasse ich mir davon erzählen und freue mich über das Unbekannte, das fremde Leben, das aus den Buchseiten zu mir kommt. 

Der Roman spielt in der Hafenstadt Busan (Südkorea) und folgt Hee-soo, einem kleinen Gangster, der in der unheilen Welt des organisierten Verbrechens aufgewachsen ist. Dem Protagonisten scheint es zu gelingen, in einer Welt voller Korruption und Verrat eine gewisse moralische Integrität zu bewahren. Hee-soo ist ein loyaler Mann, der sich nach einem ruhigeren Leben sehnt. Sein innerer Kampf, das Richtige zu tun, gibt der Geschichte einen Hauch von Hoffnung und Menschlichkeit. Aber: seine Vergangenheit und die skrupellosen Machtkämpfe in der Unterwelt lassen ihn nicht los.

Als sein Boss von einem ehrgeizigen Rivalen bedroht wird, gerät Hee-soo in einen Strudel aus Verrat, Gewalt und Machtspielen. Während er versucht, seine eigene Moral in dieser grausamen Welt zu bewahren, wird er mit schicksalhaften Entscheidungen konfrontiert, die sein Leben und seine Zukunft verändern könnten.

Heißes Blut ist eine düstere, atmosphärische Geschichte über Loyalität, Verrat und die Hoffnung auf einen Neuanfang, die mich gefesselt hat, ohne dass ich genau sagen kann warum. Düstere Krimis gehören nicht zu meinem bevorzugten Lesestoff - aber vielleicht war es gerade das, was mich faszinierte. Viele Figuren im Roman sind nicht rein böse oder gut, sondern vielschichtig. Das macht das Lesen für mich sehr eindringlich; selbst in den dunkelsten Charakteren kann man menschliche Züge, etwas Gutes erkennen.

Auch die Zweifel des Protagonisten und der Wunsch, dieses Leben hinter sich zu lassen und einen friedlicheren Weg zu finden, ist ein universelles und positives Thema, das man ja häufig selbst reflektiert.  Doch Hee-soos Schicksal bleibt tatsächlich offen, was den Roman umso realistischer und eindringlicher macht. Es spiegelt die Unsicherheit wider, die mit einem Leben in der Unterwelt verbunden ist, denn selbst wenn jemand entkommen möchte, ist der Weg hinaus oft voller Hindernisse und ohne Garantien.

Dass es keine klare neue Perspektive für Hee-soo gibt, unterstreicht die Tragik seiner Situation. Der Roman zeigt, wie schwer es ist, aus einer Welt auszubrechen, die einen von klein auf geprägt hat. 


Bild von einer KI generiert


Mittwoch, 8. Januar 2025

"Der Sohn des Maskenschnitzers"

 von Alyson Richman, ist meine derzeitige Lektüre. Der Protagonist des Romans, wächst in Japan auf, wo er in eine lange Tradition von Maskenschnitzern eingebunden ist. Sein Vater ist ein angesehener Maskenschnitzer im Noh-Theater, einer Kunstform, die tief in der japanischen Kultur verwurzelt ist. Kiyoki wird von klein auf in die geheimen Handwerkstechniken und die Bedeutung der Masken eingeführt, die sowohl künstlerisch als auch spirituell eine zentrale Rolle im Noh-Theater spielen.


Das Leben von Kiyoki in Japan ist von starkem familiären und kulturellen Druck geprägt. Als Sohn eines traditionellen Handwerkers steht er unter dem Erwartungen, die Kunst seines Vaters fortzusetzen und die Familientradition zu bewahren. Dies bringt Kiyoki in einen inneren Konflikt, da er die Kunst des Maskenschnitzens liebt, aber gleichzeitig das Gefühl hat, mehr zu wollen – vor allem, die westliche Malerei zu verstehen und selber zu schaffen. Kiyoki verspürt den Drang, seine eigene künstlerische Vision zu verfolgen. Sein Herz schlägt für die europäische Moderne und die Malerei, die für ihn Freiheit und Individualität verkörpert.

Der Wunsch, Japan zu verlassen und nach Frankreich zu gehen, ist eine Flucht vor den Erwartungen und der Schwere des Lebens in Japan. Das Leben in Japan – geprägt von Tradition und einer klaren Rollenverteilung – fühlt sich für Kiyoki zu einschränkend an. Sein innerer Drang, die westliche Kunst zu erleben und zu verstehen, stellt für ihn einen Weg dar, sich von der Last der Tradition zu befreien und seine eigene künstlerische Identität zu entwickeln. So wird die Reise nach Frankreich nicht nur zu einem Schritt in die Freiheit, sondern auch zu einem Schritt in seine eigene, ungelebte künstlerische Zukunft.

Die Bühne eines Noh-Theaters, von einer KI generiert

Angetrieben von seinem Wunsch, die Kunst der europäischen Avantgarde zu entdecken und sich selbst als Maler zu verwirklichen, reist Kiyoki nach Frankreich. Dort taucht er in die Welt der Pariser Kunstszene ein, eine Welt voller kreativer Freigeister, die in starkem Kontrast zu den strengen japanischen Traditionen steht. Die Begegnungen mit der westlichen Kunst inspirieren ihn, seine Identität als Künstler zu hinterfragen und gleichzeitig mit seinen kulturellen Wurzeln zu verbinden.

Die Masken, die Kiyoki in Japan bei seinem Vater als Handwerkskunst erlernt hat, bleiben ein zentrales Symbol: Sie repräsentieren nicht nur die Tradition, sondern auch die Frage nach Authentizität und der eigenen "Maske", die man in der Welt trägt. Der Roman thematisiert Kiyokis Reise zwischen zwei Welten – der japanischen und der westlichen – und beleuchtet, wie Kunst und kulturelle Begegnungen den inneren Konflikt zwischen Tradition und Moderne heilen können.

Ich liebe Bücher, die mir nicht nur Freude beim Lesen, sondern auch Wissen vermitteln. Auch dieses Buch ist so ein Buch. Das Noh-Theater Japans, war und ist mir relativ fremd. Nun tauche ich in den Wissenspool des Internets und erfahre, dass Noh als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt ist und dass auch heute noch Stücke aufgeführt werden. Es hat viele moderne Künstler und Theaterschaffende inspiriert, darunter auch Bertolt Brecht. 

Das Noh-Theater ist eine Kunstform, die Tradition, Spiritualität und Ästhetik vereint. Auch wenn es für Europäische Augen und Ohren gewöhnungsbedürftig ist, fordert es von seinem Publikum Geduld und hohe Aufmerksamkeit. Kenner meinen, dass das Noh-Theater jedoch mit tiefgründigen Einsichten und zeitloser Schönheit belohnt.

Für Interessierte füge ich hier einen Link zu einem YouTube-Video ein (Keine Werbung):

https://www.youtube.com/watch?v=YVARAMARvk8











Mittwoch, 1. Januar 2025

Das neue Jahr

mit Büchern zu begrüßen, ist für mich eine große Freude. Aktuell lese ich mehrere Bücher. Wieder lese ich von Wolf Dieter Storl, "Die alte Göttin und ihre Pflanzen". Es tut mir sehr gut, in dieser dunklen Winterzeit mit Regen und Wind, einzutauchen in größere Zusammenhänge und Pläne zu schmieden für das neue Gartenjahr. Vielleicht werde ich nicht alle umsetzen können aber mein Wissen kann ich vertiefen und mein Feuerchen der Freude nähren. Ich nutze regenfreie Zeiten, um etwas "Ordnung" im Garten zu schaffen und spüre, wie gut mir das Wirken in der Natur tut. Ich sammele z.B. Äpfel und Quitten auf, die zum Pflücken nicht erreichbar waren und nun ein trauriges Dasein unter den Bäumen fristen. Das kleine Gewächshaus braucht auch immer Zuwendung und Wasser und das Anschwellen der Knospen ist immer ein wunderbarer Anblick, der davon erzählt, dass bald die Winterzeit vorbei ist und ein neuer Kreislauf beginnt.

Wolf Dieter Storl verbindet  sein Wissen über Pflanzen in kulturellen und spirituellen Kontexten auf unnachahmliche Weise mit den Geschichten und Märchen, die uns allen vertraut sind. Er erforscht die tiefe Verbindung zwischen Mythen, Märchen und Pflanzenwesen und zeigt, wie unsere Vorfahren die Natur empfunden haben mögen. Ich streife mit Storls durch alte Sagen und Märchen und entdecke eine Form der Urspiritualität, die mich glücklich macht. Immer wieder erkenne ich die spirituellen Hintergründe, die die Heilkräfte der Natur so einzigartig machen und ich bin sehr froh, ein Teil dieser Umwelt zu sein und mich mit ihr verbinden zu können. 




"Ein einfaches Leben" im Original Pachinko, von Min Jin Lee hat mich tief berührt. Es ist ein Roman, der das Leben einer koreanischen Familie über vier Generationen hinweg in Japan beleuchtet. Der Originaltitel „Pachinko“ bezieht sich auf das Glücksspiel, das als Metapher fungiert für das unvorhersehbare Leben und die Abhängigkeit von äußeren Umständen.

Es sind die 1910er Jahre in einem kleinen koreanischen Fischerdorf, wo Sunja, die Tochter einer Pensionsbesitzerin, unehelich schwanger wird. Diese Schande droht Sunja und ihre Familie zu zerstören, bis Isak, ein christlicher Missionar, ihr die Ehe anbietet und sie mit nach Japan nimmt. Dort beginnt die Familie ein neues Leben, das allerdings von ständiger Diskriminierungen, Identitätsverlust und Armut geprägt ist.

Das Leben in Japan, besonders für ethnische Koreaner, ist von immer vorhandener starker Ausgrenzung Vorurteilen und Diskriminierungen geprägt. Sie werden zu Bürgern zweiter Klasse degradiert, deren Chancen auf Bildung und Arbeit sehr eng begrenzt sind. Die Familie gerät schließlich in das Pachinko-Geschäft (ein Glücksspiel), das zwar finanzielle Sicherheit bietet, aber gesellschaftlich stigmatisiert ist.

Die Autorin verwebt in ihrem Roman historische Ereignisse, soziale Themen und persönliche Schicksale. Sie erzählt von den Kämpfen und Triumphen der Familie und thematisiert die komplexen Beziehungen zwischen Kultur, Identität und Zugehörigkeit. Mit ihrer klaren Sprache beschreibt Lee nicht nur die politischen und sozialen Strukturen, sondern auch die emotionalen Facetten der Ausgrenzung. „Ein einfaches Leben“ ist nicht nur ein Familienroman, sondern auch eine Aufforderung  für Mitgefühl und ein bewegendes Porträt des Menschseins unter widrigsten Umständen.

Ich habe die die Geschichte der Familie sehr gerne gelesen, auch wenn deren Leben alles andere als einfach war. Min Jin Lee hat mich mitgenommen auf eine Reise, die mir öfter als einmal Tränen beschert hat. Trotzdem empfehle ich dieses Buch allen, die nicht ihre Augen verschließen vor dem Leben und dem Leid anderer Menschen. Allen, die Lust haben andere Kulturen zu entdecken und neugierig sind - auf das Leben.