Freitag, 17. Mai 2024

Grazien

"Kommt nun herbei, Grazien zart, Musen mit schönen Haaren."

Source: Wikipedia

So dichtete Sappho. Und es gefällt mir sehr. Musen, Grazien und dazu noch Schönheit, was kann ich mehr wünschen. Den Himmel auf Erden?

Sappho, eine der berühmtesten Dichterinnen der antiken Welt, wurde um das Jahr 630 v. Chr. auf der Insel Lesbos im ägäischen Meer geboren. Als Tochter eines reichen Adligen genoss sie eine privilegierte Ausbildung, die ihr eine umfassende Kenntnis der Literatur und der Künste vermittelte.

Es heißt, dass Sappho früh ihre Leidenschaft für Poesie entdeckte und begann, ihre eigenen Gedichte zu verfassen, die oft von Liebe, Leidenschaft und Schönheit inspiriert waren. Sie gründete (wie es heißt nach ihrer Rückkehr aus dem Exil) eine Schule für junge Mädchen und Frauen, die als "Sappho-Kreis" bekannt wurde, in der sie ihre Schülerinnen auf ihr späteres Leben vorbereitete und in der Kunst des Dichtens unterwies.

Ihre Gedichte wurden für ihre Eleganz, ihre Sinnlichkeit und ihre lyrische Intensität gerühmt und gewannen schnell an Popularität in der gesamten antiken Welt. Sappho wurde als "Zehnte Muse" verehrt und ihre Werke wurden von Generationen von Dichtern und Schriftstellern bewundert und nachgeahmt.

Es ist überliefert, dass Sappho aufgrund politischer Spannungen, so heißt es, gemeinsam mit ihrer Tochter, um 600 v.Chr. vom damaligen Tyrannen ins Exil nach Sizilien verbannt wurde.

Trotz ihrer großen Bedeutung für die antike Literatur ist nur ein Bruchteil ihres Schaffens erhalten geblieben. Viele ihrer Gedichte sind verloren gegangen oder wurden im Laufe der Jahrhunderte zerstört. Aber ihr Einfluss auf die Poesie und die literarische Tradition ist für viele Menschen unbestritten.

Sappho verstarb wahrscheinlich um das Jahr 570 v. Chr. Ihr Vermächtnis lebt jedoch weiter in den Fragmenten ihrer Gedichte und in der Erinnerung an eine Frau, deren poetische Vision und Leidenschaft die Welt veränderten.


***

Wie komme ich auf Sappho? Mia Kankimäkis zweites Buch "Frauen, an die ich nachts denke" zitiert Sappho mit den obigen Zeilen. Sie schreibt darin über die Frauen, über die sie in schlaflosen Nächten nachdenkt, reflektiert. Sie nennt sie Nachtfrauen und die Autorin macht sich auf die Reise, um "den Spuren ihrer Heldinnen" zu folgen. Sie schreibt u.a. über Karen Blixen und Afrika, Isabella Bird, Ida Pfeiffer, Mary Kingsley, Nelly Bly, Yayoi Kusama und andere Frauen, die ihr Inspiration waren.

Das Buch ist wieder die Suche nach ihrem eigenen Roman, ihrem eigenen Stil. Darüber hat man schon in ihrem ersten Roman, "Dinge, die das Herz höher schlagen lassen" gelesen. Ich hätte mich gefreut, mehr über ihre Protagonistinnen zu lesen. Z.B. über Alexandra David-Neel, die als erste westliche Frau Tibet bereiste, sich heimlich auf den Weg nach Lhasa machte. Trotzdem finde ich das Buch lesenswert und ganz besonders die Ratschläge die sie ihren Nachtfrauen in den Mund legt:

"Wenn du unter Depressionen, Frustration oder Kopfschmerzen leidest, mache dich auf die Reise!"

oder:

"Sei mutig! Es macht nichts, wenn du Angst hast. Spiele mit den Karten, die du bekommst! Auch wenn du krank bist, kannst du aus vollen Zügen leben. Wenn du alles verlierst, fange an zu schreiben!

Es gibt so viele Parallelen zu heutigen Frauenleben. Die abenteuerlichen Reisen zu uns selbst, die wir durchleben. Das Hadern mit dem Schicksal, vielleicht. Die Themen Angst und Krankheiten haben unsere Vorfrauen mindestens ebenso beschäftigt, wie uns heutige Frauen. Es scheinen universelle Themen zu sein. Noch.


  




PS: Ich bitte die verschiedenen Schriftarten zu entschuldigen. Der Editor ließ sich nicht dazu bewegen, meine Formatierungen umzusetzen.






Donnerstag, 2. Mai 2024

Jeder Tag

 
Ein Zitat, das Arthur Schopenhauer zugeschrieben wird, gibt in etwa die Gedanken wieder, die seit einiger Zeit immer wieder in mir auftauchen:

“Jeder Tag ist ein kleines Leben, jedes Erwachen eine kleine Geburt, jeder neue Morgen ist eine kleine Jugend.” 

 Arthur Schopenhauer

Man kann diese Gedanken auch auf den Lauf des Jahres anwenden. Im Frühling, am Morgen, macht sich alles Lebende auf zu neuen Taten. Die Lebensuhr ist frisch aufgezogen und schnurrt hin zum Vollfrühling und den frühen Sommertagen am Mittag. Die Jahresmitte, um den Sommeranfang herum ist nach dieser Auffassung am Mittag. Die Sonne hat ihren höchsten Punkt erreicht. Unser Arbeitstag ist zur Hälfte geschafft und wir lassen uns gerne ein Mittagessen schmecken. 

Die Mittagszeit ist genau wieder Sommer eine Zeit des Innehaltens, des Verweilens. Im Tag verweilen, eine Pause einlegen, so wie der Sommer mit seinen warmen Tagen zu Genuß und Ausruhen einlädt. Im täglichen Herbst genießen wir am Nachmittag noch produktive Stunden, spüren aber bereits, dass die Uhr des Tages langsamer läuft, dass die Kräfte nachlassen und wir uns über Pausen freuen und das schöne Gefühl, den Tag gemeistert, nach unseren Wünschen gestaltet zu haben.

Zum Abend hin wird es winterlich. Was hat der Tag gebracht, was sollte oder muss noch getan werden. Habe ich alles "geschafft", was ich mir vorgenommen habe, was will ich heute noch erledigen und was muss an einem anderen Tag, einem anderen Jahr erledigt werden. Dem Jahreslauf folgend, geschieht Rückzug ins Private, ins Haus und der Schlaf wird vorbereitet, der seine Träume in uns schneien lässt.

Die erste Mohnblüte
Die erste Mohnblüte

Nicht nur der Mensch verortet sich gerne. Wir suchen und schaffen Ankerplätze im Alltäglichen, im Raum und in der Zeit. Es ist uns Bedürfnis, Zeiten und Rhythmen zu bestimmen, so wie die Natur uns - z.B. durch ihre Jahreszeiten, Bezugspunkte setzt. Wir gehen durch die Stunden des Tages, wie durch Jahreszeiten und bauen unser Haus.



Die erster Rosenblüte


Sonntag, 14. April 2024

Kleines Hanami

 Das Japanische Kirschblütenfest "Hanami" erfreut (nicht nur) die Herzen der Japaner zu dieser Zeit. Hanami bedeutet soviel wie "Blütenbetrachtung" oder Betrachtung der Kirschblüte". Es ist eine wunderbare Betrachtung und ein Genuss nach den kalten Wintermonaten, wieder ohne Mantel und Stiefel im Freien zu sein, das Leben zu genießen. 

Vor einigen Jahren habe ich in meinem Garten einen Kirschbaum gepflanzt. Damals dachte ich noch nicht an Hanami, sondern erhoffte wohlschmeckende Kirschen. Nun schenkt uns der Baum jedes Jahr viele Früchte, die wir redlich mit Amseln und anderen Gartenbewohnern teilen. 




Wie in jedem Frühling begrüße ich Bäume und Sträucher, alles was schwebt und fliegt oder "einfach" krabbelt und kriecht. Es ist die Zeit des ersten Kaffees auf der Terrasse, wo noch jeder Sonnenschein gesucht und willkommen geheißen wird. 
Es erscheint mir wichtig, in der Freude und in guten Gedanken zu bleiben, besonders angesichts der politischen Lage im Nahen Osten, die heute Nacht eine neue Dimension angenommen hat. 



Ein herrliches Wetter auch für Spaziergänge im Wald. Strahlender Sonnenschein mit starkem Wind. Eine schöne Kombination.




Ein Haiku das ich passend dazu finde:


Ich habe den Boten

unterwegs getroffen, öffne den Brief -

der Frühlingswind.


Kito




Montag, 8. April 2024

Das Unsagbare

Was wichtig ist: das Unsagbare,

das Weiße zwischen den Worten,

und immer reden diese Worte

von den Nebensachen, die wir

eigentlich nicht meinen.

(Max Frisch,  geboren 15.05.1911 gestorben 4.04.1991)




  

Das weiße zwischen den Worten, das mir immer wieder die Sprache verschlägt und mich neugierig macht auf mehr. Im März und April war und ist es "Das Kopfkissenbuch" der Sei Shonagon.

In vielen Literaturquellen findet man immer wieder einen Verweis auf ein Tagebuch, das eine Hofdame im Japan der Heian-Zeit (794 bis 1185) geschrieben hat. 


Mamoru Watanabé schreibt in seiner Übersetzung, dass Kaiserin Sadako einer Hofdame, Sei Shonagon, einen dicken Stoß erlesenes Papier zum Geschenk machte. Die Hofdame meinte, sie würde daraus ein Kopfkissen machen. Ein Kopfkissen war zu jener Zeit eine Notizbuch, in das man alles niederschreiben durfte, was man sonst nur seinem Kopfkissen anvertrauen würde.


Was erschien Sei Shonagon bemerkenswert? Macht, Müßiggang, persönliche Liebschaften, Pikanterien, Flötenspiel und Kalligraphie uvm. Wir heute lesen ihre Worte als Listen. Z.B.


"Ernüchterndes

Ein Hund, der am hellichten Tage bellt

Ein neugebautes Kinderzimmer, nachdem der Säugling gestorben ist

Ein Feuerbecken ohne Feuer

Ein Kutscher, der seine Tiere lieblos behandelt

Es ist auch ernüchternd, wenn man jemandem sein Gedicht schickt, das man selber für wohlgelungen hält und kein Antwortgedicht bekommt."


oder


"Anstand in der Sprache

Leute, die es nicht verstehen, Briefe mit den richtigen Höflichkeitsausdrücken zu verfassen, können verachtet werden ..." (aus der Übersetzung von Watanabé).


Das sind nur zwei Beispiele aus vielen, denen ich gerne nachgehen wollte. Daher suchte ich nach weiterer Literatur, um mir ein Bild der Sei Shonagon zu machen. Gefunden habe ich zunächst eine  Übersetzung von Watanabé



und eine neuere Übersetzung von Michael Stein, aus dem Manesse Verlag. 


*****


Auch der Roman von Mia Kankimäki, "Dinge, die das Herz höher schlagen lassen"  kann mich nicht wesentlich erhellen. Ich erhoffte mir einen tiefer gehenden Einblick in die Lebenswelt der Sei Shonagon. Gefunden habe ich ein Buch, das mehr Fragen aufwirft, als sie zu beantworten. Es ist ein dickes Buch (518 Seiten), das meine Neugier geweckt hat und ich werde weiter suchen.

Auf der Rückseite des Buches lese ich, dass die Autorin aus ihrem Leben ausgebrochen wäre und nach Kyoto gereist sei, um sich auf die Spuren der Sei Shonagon zu machen. 


Wahrscheinlich werde ich nicht so bald nach Kyoto reisen können, aber  in diese Richtung lesen und schauen, was mir wichtig erscheint und was nicht Unsagbar gewesen sein soll, habe ich beschlossen. 













Sonntag, 24. März 2024

Der März

brachte nicht nur den Frühling mit Hagel, Regen und Sturm in unser kleines Dorf. Er  brachte und bringt mir viel Lesestoff, über den ich berichten möchte. Zu meinem momentanen Lieblingslesestoff "Japan" sind wieder einige Bücher angekommen und leider nur zum Teil gelesen.

So z.B. ein weiteres Buch von Lesley Downer, "Die Tochter des Samurai", das nun gelesen im Regal steht. Es ist eine Geschichte um die Liebe (was sonst), die im Japan der 1880er Jahre spielt. Ich mag die Gründlichkeit, mit der die Autorin recherchiert und wie sie ihr Wissen in ihren Geschichten verwebt. Das Buch hat trotzdem keine Schwere und lässt sich zur Entspannung wunderbar lesen.

Milena Michiko Flasar hat ein Buch über Herrn Katō geschrieben. Der Titel: "Herr  Katō spielt Familie". Es ist ein ein schmales Buch, das ich an einem Tag gelesen habe. Das Thema klang zunächst vielversprechend aber ich wurde mit der Sprache, die die Autorin benutzt, nicht warm. Auch, dass der Protagonist und seine - frisch im Rentnerdasein etablierten Zustände, so raumgreifend waren, hat mir nicht gefallen. Vielleicht war es zu viel Realität in der Gegenwart oder einfach die Tatsache, dass mich patriarchale "Alte-Männerleben" per se nicht mehr interessieren. 



Von Volha Hapeyeva haben mich ihre Gedichte wieder begeistert. In "Trapezherz" finde ich wieder so schöne Gedankenbilder, die mich faszinieren, die ich aufschreiben und jeden Tag lesen möchte. Im Klappentext heißt es: "Das Trapezherz schlägt sanft und sensibel, leise und laut, einfühlsam und wütend, komisch und ernst (...) im Wechselspiel bilden die Gedichte alle Facetten unserer Lebenswirklichkeit ab ...". 




Von der Belarussin Volha Hapeyeva ist auch ein in 2022 ausgezeichneter Essay erschienen,  den ich sehr gerne gelesen habe. (WORTMELDUNGEN Ulrike Crespo Literaturpreis für kritische Kurzttexte 2022.)
"Die Verteidigung der Poesie in Zeiten andauernden Exils" ist ein sperriger Titel, der der wunderbaren Sprache der Autorin nicht gerecht wird. Volha erzählt von ihrer Liebe zur und ihrem Leben mit Sprache. Wie denkt und wie erlebt eine Autorin Sprache und Heimat im Exil? Dazu zwei kurze Zeilen:

" ...Schiffe vor Anker, Autos auf Parkplätzen,
aber ich bin diejenige, die kein Zuhause hat ..."




Auch heute herrschen Draußen Temperaturen wie in einem Kühlschrank. Für den Straßengarten hatte ich Rindenmulch gekauft, der aber noch auf seine Verteilung wartet. Der vor einigen Jahren gepflanzte Pflaumenbaum blüht herrlich, obwohl es nass und kalt ist. Die Kirschblüte wird warten müssen. Im Süden Japans soll sie bereits begonnen haben und sicherlich ist es eine große Freude, zwischen blühenden Bäumen, bei hoffentlich milden Temperaturen zu flanieren. Sie zu bestaunen und die Seele mit ihrem Liebreiz zu aufzufüllen.