Stell dir vor, jeder Tag hätte ein Kontingent: 100 Worte.
Christina Dalchers Roman Vox führt uns in eine Welt,
in der Schweigen Pflicht ist — nicht aus Schüchternheit, sondern aus
politischem Kalkül. Mädchen und Frauen
dürfen nur noch hundert Worte am Tag sprechen. Wer diese Grenze überschreitet,
wird durch ein Armband mit Stromstößen bestraft.
Diese fiktive Zukunft ist so beängstigend real, weil sie
Sprache nicht nur als Kommunikationsmittel versteht, sondern als Schlüssel
zur Macht – und deren Entzug als Wurzel aller Kontrolle.
Sprache ist Macht – und Schweigen ist Politik
Sprache ist unser innerstes Territorium. Sie ist das Feld,
auf dem Gedanken wachsen, die Brücke, auf der wir einander begegnen, das Haus,
in dem unsere Würde wohnt.
In Vox wird Sprache zur Waffe – und ihre Begrenzung
zur Zensur der Seele. Frauen verschwinden aus öffentlichen Debatten, aus der
Forschung, dem Unterricht, den Entscheidungsgremien. Ihre Gedanken bleiben
ungesagt, ihre Stimmen ungehört.
Doch ist das wirklich Zukunftsmusik? Oder erleben wir
bereits eine leise Vorform – eine Gesellschaft, in der Frauen sich oft
zurücknehmen, unterbrechen lassen, ausbremsen?
Und doch bleibt sie oft allein. Die weibliche Allianz, die
man in solch einer Erzählung erhofft, bleibt blass. Die Rebellion ist kein
Chor, sondern ein Solo – und das schmerzt. Denn echte Veränderung beginnt nicht
mit Einzelnen, sondern mit Gemeinschaft.
Ist das schon Realität – oder noch Fiktion?
Deutschland:
- Frauen
verdienen im Durchschnitt weniger.
- Ihre
Stimmen werden seltener gehört, sei es in Talkshows, Vorstandsetagen oder
politischen Gremien.
- In
sozialen Netzwerken sind sie überdurchschnittlich von digitalem Hass
betroffen.
- Der
Zugang zu selbstbestimmter Gesundheitsversorgung bleibt ein politisches
Dauerthema.
Weltweit:
- In
Afghanistan ist Bildung für Mädchen gefährlich.
- Im
Iran riskieren Frauen ihr Leben, wenn sie tanzen, sprechen, singen.
- In
vielen Staaten werden Grundrechte Schritt für Schritt zurückgebaut –
Sprache, Pressefreiheit, Zugang zu Informationen.
Was tun mit hundert Worten?
Denn aus hundert Worten kann ein Gedicht wachsen, ein Widerstand, ein Aufruf. Manchmal genügt ein Satz, um eine Tür zu öffnen. Manchmal genügt ein Nein, um eine Kette zu sprengen.
Die Sprache ist so ein wertvoller, so ein unfassbarer Schatz, der uns Menschenkindern geschenkt worden ist. Mit dem Geben von Namen für all die Tiere und Erscheinungen dieser Welt haben wir die Tiere, Pflanzen, Steine und Berge, Seen und tausend Phänomene sogar uns zu eigen und be-greifbar gemacht. Welch eine Macht! Sprache darf nicht missbraucht und nicht kaputt gemacht oder verunstaltet werden. Sprich, flüstere, schreib und singe, was dir aufgetragen ist, was deine Seele sagen und singen will und muss, und niemand darf dir Schaden zufügen.
AntwortenLöschenEinige Gedankenstücke mit lieben Grüßen von Dori
Soeben wurde mir von Kornelia folgedes altes Gebet zugesendet :
LöschenHl. Nerses Schnorhali (1102-1173)
armenischer Patriarch
Gewähre mir, stets mit deinem Wort zu sprechen!
Tag für Tag höre ich mit den Ohren meines Leibes
Deine Weisung,
Überhaupt nicht zu schwören,
Weder bei den Dinge der Erde noch beim Himmel.
Ich aber verstopfe die Ohren meiner Seele
Und lasse Dein Wort nicht hinein,
Sondern tue das Gegenteil
Und missachte Dein Gebot.
Du aber, himmlischer Atem, der Du als Werkzeug des Wortes
Gedanken und Sprache gegeben hast,
Öffne meinen Mund durch Deinen Geist,
Und fülle ihn mit geistlichem Segen.
Damit ich vom göttlichen Gesetz spreche,
Von der Frohen Botschaft des Neuen Bundes,
Von der Weisheit der Lehre
Und dem Geheimnis des Tuns.
Halte fern von mir das entzweiende Wort,
Die nicht vergebbare Lästerung,
Die schmähende Klage
Und das verleumderische Geflüster;
Die Täuschung des Nächsten,
Den treulosen Verrat,
Den meineidigen Schwur,
Und die Lüge, die dem Bösen eigen ist;
Die teuflische Geschwätzigkeit,
Die Prahlerei des Hochmütigen,
Und überhaupt alle Wortergüsse,
Die, einmal ausgesprochen, bereut werden.
Gewähre mir das Wort, o Du fleischgewordenes Wort,
Damit ich immer mit Deinem Wort spreche,
Damit ich es als Gnade meinem Zuhörer weitergebe,
Um die niedergeschlagene Seele aufzurichten.
danke für dieses Vorstellen dieses Buch und Posting!
AntwortenLöschenWahre Worte die laut werden lassen für die Frauen!
Lieben Sonntaggruss Elke
selten habe ich stärkere Worte gehört - das Flüstern des Schweigens viel öfter beklommen vernommen - man muss sich fürchten vor dem Dämon des Schweigen-denn es verbirgt alles was Sprache heißt - die Gemeinsamkeit verbindet die Welt der Sprache und des Verstehens...die Welt der Frauen...
AntwortenLöschendanke dafür - dass du sprichst...was unrecht ist.
herzlich Angel